Es ist erst Mittag, aber der Trainingstag von Sprinter Joshua Hartmann, 25, ist schon beendet, als ZEIT ONLINE ihn zwei Tage vor Beginn der Olympischen Spiele auf dem Gelände seines Heimatvereins in Köln trifft. In Paris werde er so gut drauf sein wie nie in diesem Jahr, sagt er.
ZEIT ONLINE: Herr Hartmann, was fasziniert Sie am
Sprinten?
Joshua Hartmann: Sprinten ist etwas, das jeder Mensch
kann. Etwas extrem Messbares, Vergleichbares. Jeder kennt das, jeder ist bei
den Bundesjugendspielen mal 100, 50 oder 75 Meter gelaufen. Bei uns siehst du
sofort, wer der Beste war. Nach jedem Wettkampf, nach jedem Jahr siehst du schwarz auf weiß: Wer hatte die schnellste Zeit? Das macht es für mich aus,
dieser Vergleich in dem, was dem Menschen am natürlichsten ist: Laufen.
ZEIT ONLINE: Ist das der Grund, dass die 100 Meter
als Königsdisziplin bezeichnet werden?
Hartmann: Ja. Und es ist das schnellste Event, das es
gibt. Deswegen war es mir wichtig, dass ich in der Disziplin am Start bin,
obwohl meine Stärke eher auf den 200 Metern liegt: Es ist die Königsdisziplin,
das gucken alle, dafür war Usain Bolt bekannt. Die 100 Meter sind der
spannendste Wettkampf, da darfst du die wenigsten Fehler machen und musst dich
am meisten konzentrieren. Es stehen auch noch alle von Beginn an nebeneinander
statt in der Kurve: Es geht Mann gegen Mann, nur geradeaus. Das ist geil, das
macht Spaß, auch als Zuschauer.
ZEIT ONLINE: Trotzdem sind die 200 Meter Ihre
Lieblingsdisziplin.
Hartmann: Ich komme von den 400 Metern, die bin ich
in der Jugend gelaufen. Und in der Vergangenheit war ich – auch wenn ich das
besser in den Griff bekommen habe – nicht der Beste in der Beschleunigung.
Dadurch kommen mir die 200 Meter zugute. Die sind technischer, weil man nicht
die ganze Zeit am Anschlag ist, sondern bei gefühlt 97, 98 Prozent. Es ist auch
die Strecke, über die ich den deutschen Rekord halte, deshalb liegt darauf in
Paris mein Hauptfokus. Was nicht heißen soll, dass die 100 Meter unwichtig
werden.
ZEIT ONLINE: Wann haben Sie gemerkt, dass Sie schnell
sind?
Hartmann: Ich habe früher Fußball gespielt, da war
ich immer der Schnellste. Dann habe ich irgendwann einen Wettkampf meines
Heimatvereins gewonnen, bei dem sie immer den schnellsten Schüler aus Köln
küren. Da bekam ich dann eine Jahresmitgliedschaft geschenkt.
ZEIT ONLINE: Sie haben Stollen gegen Spikes
getauscht?
Hartmann: Eine Zeit lang habe ich beides parallel
gemacht, bis ich deutscher Vizemeister über 300 Meter geworden bin. Ab da war
für mich klar, dass ich mehr Potenzial in der Leichtathletik habe als im
Fußball. Aber ich glaube, ich bin auch der geborene Einzelsportler.
ZEIT ONLINE: Was macht einen dazu?
Hartmann: Schon ein bisschen Egoismus. Ich war nie
ein großer Teamplayer beim Fußball. Und ich vergleiche mich gerne, auch im
Alltag. Ich gehe gern in den Konkurrenzkampf, ins Duell. Das musst du als
Einzelsportler gerne machen und gut können. Sonst bist du da falsch.
ZEIT ONLINE: Haben Sie ein Beispiel?
Hartmann:
Das
kann alles sein, zum Beispiel wenn wir im Trainingslager sind: Wer steht am
frühesten auf, wer ist am pünktlichsten im Training? Manchmal ist es, wer den
Teller am schnellsten aufisst. Ich bin immer ungern Verlierer. Aber manchmal
ist man das halt auch. Und ich habe gelernt, dass die Tage, an denen man
verliert, fast wichtiger sind als die, an denen man gewinnt. Weil es immer
einen Grund gibt, warum man verliert. Wenn du gewonnen hast, reflektierst du
nicht so wie nach einer Niederlage.
ZEIT ONLINE: Kürzlich ist Ihr Kollege Owen Ansah als
erster Deutscher die 100 Meter unter zehn Sekunden gelaufen. Ärgert es Sie,
dass Sie diese Marke nicht zuerst geknackt haben?
Hartmann: Ich will das für mich selbst schaffen, mir
geht es nicht darum, der Erste zu sein. Ich habe es Owen also komplett gegönnt.
Wir verstehen uns gut, sind Freunde, waren in vielen Trainingslagern zusammen.
Für mich ist es eher motivierend, zu sehen, dass es schon ein Deutscher
geschafft hat.
ZEIT ONLINE: Allgemein scheint sich etwas zu tun im
deutschen Sprint, plötzlich gibt es eine Handvoll Leute, denen man zutraut,
unter zehn Sekunden zu laufen. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Hartmann: Die Wissenschaft entwickelt sich weiter,
wir lernen mehr über Trainingsmethoden, auch die Konkurrenz hilft. Ich glaube
generell, dass sich der Sprint in Deutschland durch Leute wie Owen und mich in
den nächsten Jahren verändern wird. Das Niveau ist schon jetzt deutlich höher
als vor zehn Jahren oder auch noch 2021 in Tokio – da hatten wir keinen
Einzelstarter über die 100 Meter, jetzt haben wir zwei.
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Es ist erst Mittag, aber der Trainingstag von Sprinter Joshua Hartmann, 25, ist schon beendet, als ZEIT ONLINE ihn zwei Tage vor Beginn der Olympischen Spiele auf dem Gelände seines Heimatvereins in Köln trifft. In Paris werde er so gut drauf sein wie nie in diesem Jahr, sagt er.
ZEIT ONLINE: Herr Hartmann, was fasziniert Sie am
Sprinten?
Joshua Hartmann: Sprinten ist etwas, das jeder Mensch
kann. Etwas extrem Messbares, Vergleichbares. Jeder kennt das, jeder ist bei
den Bundesjugendspielen mal 100, 50 oder 75 Meter gelaufen. Bei uns siehst du
sofort, wer der Beste war. Nach jedem Wettkampf, nach jedem Jahr siehst du schwarz auf weiß: Wer hatte die schnellste Zeit? Das macht es für mich aus,
dieser Vergleich in dem, was dem Menschen am natürlichsten ist: Laufen.