Z+ (abopflichtiger Inhalt); Festivals in Hamburg: Tausende Menschen müssen nachts raus

Spektrum

Es ist nicht lange her, da wurde Rap von Männern dominiert. Inzwischen
scheinen die Machtverhältnisse in dem Genre (in dem Wettkampf, Dominanz und
Macht vermutlich auch keine größere Rolle spielen als im Pop oder Schlager, was
anders als dort aber nicht verleugnet und weggelächelt, sondern offen
ausgestellt wird) nicht mehr so eindeutig. 

Zumindest wenn man das
Spektrum als Indikator nimmt: Oben auf dem Poster steht bei diesem Hip-Hop-Festival mit Juju eine
Frau. Haftbefehl hat kurzfristig abgesagt und schickt drei Mann, ihn zu
vertreten, Olexesh, Celo und Abdi. Doch zählt man die DJs mit (Babyblade, Miami
Lenz, Nissa, Sherryaeri, yung_womb),
dann sind die Frauen auf diesem Festival in der Überzahl. Am
Mikrofon überwiegen die Männer, aber was man vorab von ihnen hören kann, klingt
teils seltsam kraftlos. 

Bei Tom Hengst etwa heißt es: „Ich ficke deutschen Rap,
du denkst, das Album ist ein Pornofilm” – jeder Porno ist origineller als diese
Zeile. Dagegen rappt Ellice, die ebenfalls auftreten wird: „Er ist am Meer und
schickt ein Herz auf mein Handy / und er glaubt immer noch, er kommt an meine
Pantys.” Wenn eine Dominanzgeste so lässig klingt, dann weiß man, wer die Bossin
ist. 

Spektrum, am 3. August auf dem Dockville-Gelände (Wilhelmsburg). Mehr Infos gibt es hier.

Oskar Piegsa

Open-Air-Kinos

Besonders schön am Sommer sind die
lauen Nächte, wenn die Stadt etwas herunterkühlt und man am Himmel die
Sterne zählen kann. Wie wär’s also, mal nicht vor der nächsten
Netflix-Serie zu versacken, sondern draußen einen guten Film auf großer
Leinwand zu sehen? Das geht in den Hamburger Open-Air-Kinos – etwa beim Zeise Open Air,
wo im wunderschönen Innenhof des Altonaer Rathauses Blockbuster- und
Arthouse-Filme gezeigt werden. Am 2.8. läuft dort zum Beispiel Anatomie
eines Falls und am 17.8. DER Hamburg-Film schlechthin – Absolute
Giganten. Beim Open-Air-Kino im Schanzenpark
hören Sie die Filme über Funk-Kopfhörer, dort läuft der großartige Film Perfect Days von Wim Wenders (5.8.) oder der kultige „Big Lebowski”
(7.8.). Beim filmRaum Open-Air-Kino wird
der Stadtpark Eimsbüttel jeden Mittwoch, Donnerstag und Freitag zum
Kino, eine feste Bestuhlung gibt es nicht, darum sollten Sie Stühle oder
Picknickdecken lieber mitnehmen. Tipp: Jim Jarmuschs Night On Earth am 9.08. 

Barrierefreies Open-Air-Kino
bietet dieses Jahr die Stiftung Alsterdorf an: Hier laufen die Filme
mit Audiodeskription, Untertiteln für gehörlose und
schwerhörige Menschen und mit einer Induktionshöranlage, die eine
Verstärkung der Tonspur auf Hörgeräten ermöglicht. Zum Beispiel Das
Lehrerzimmer am 16.08. und Die Schule der magischen Tiere am 30.08. 

Und beim Blick aufs Programm der Initiative ElbFilmKunst
schlägt das Cineastinnen-Herz gleich höher: Out of Rosenheim! Der
Dritte Mann, Blue Jasmine! Keine aktuellen, aber zeitlos tolle Filme,
die an ganz verschiedenen Orten gezeigt werden, zum Beispiel am
Falkensteiner Ufer. Kino mit Elbblick, schöner geht’s eigentlich kaum. 

Annika Lasarzik

Internationales Sommerfestival

Das Internationale Sommerfestival bietet Tanz, Theater, Performance, Pop und Diskurs – und sein Programm in wirkt dieses Jahr fast ein
bisschen wie ein Best-of. Die amerikanische Lucinda Childs Dance Company ist
zurück auf Kampnagel, die schottische Performerin Katy Baird und das österreichische
Theaterkollektiv Nesterval, lauter alte Bekannte aus den vergangenen Jahren. 

Im
Musikprogramm stehen Stars wie Cat Power (sie singt in der Elbphilharmonie
Songs von Bob Dylan) und Peaches (sie singt leider nicht, wird aber im
Alabama-Kino nach der Aufführung des Dokumentarfilms Teaches of Peaches
Publikumsfragen beantworten). Außerdem ist Dr. Bitch Ray angekündigt, die
dieses Jahr nicht nur für ein einzelnes Rapkonzert auf Kampnagel gastiert,
sondern im Garten auf dem Kampnagel-Gelände gleich eine Gesprächsreihe unter
dem Motto Wallah Krise moderiert. 

Tanz zu ernster Minimal Music, Theater ohne Bühne und Bestuhlung, unverschämte Performances, vor denen das Publikum gewarnt wird („Nicht jugendfrei. Mögliche Trigger: explizite Inhalte”), Diskussionen über Diversität, Diskriminierung und rassistische Gewalt, dazu Popmusik – wie in jedem Jahr ist dieses Festivalprogramm überraschend, überbordend und gelegentlich überfordernd.

Internationales Sommerfestival, vom 7. bis 25. August auf dem Kampnagel-Gelände (Winterhude) und an einigen weiteren Orten. Mehr Infos gibt es hier.

Oskar Piegsa

Wutzrock

Das Wutzrock am Eichbaumsee feierte im Juni 1979 Premiere und ist damit das älteste Open-Air-Festival in Hamburg. Der Eintritt ist frei, das Festival finanziert sich durch den Getränkeverkauf und Spenden. Damit diese Rechnung aufgeht, hilft jedes Jahr ein harter Kern an Ehrenamtlichen mit. Im ersten Jahr kamen 2.000 Leute, heute zählt das Festival rund 15.000 Besucher – und trotz seiner Größe hat sich das Wutzrock seinen kämpferisch-alternativen Charme aus den Anfangszeiten bewahrt. Es entstand einst aus einer linken Protestbewegung heraus, als in den Siebzigerjahren Jugendliche aus dem Hamburger Osten für ein autonomes Jugendzentrum kämpften. Der Plan, mit Punkkonzerten Aufmerksamkeit zu schaffen, ging auf. Die Kids bekamen ein Jugendzentrum, das Wutzrock ist geblieben. 

Die Location ist traumhaft und das Programm familienkompatibel, neben der Musik gibt es ein großes Kinderfest und eine sogenannte Schlafsackhüpf-Weltmeisterschaft. Auch das Campen kostet nichts. Schade nur, dass man nicht direkt in den See hüpfen kann – denn der ist wegen Blaualgenbefalls in diesem Sommer mal wieder gesperrt. Sei’s drum, das rocklastige Line-up
macht es wett: Pantéon Rococo, Shitney Beers, Dunya, Cava! Gehen Sie hin, pogen Sie
mit. Aber vergessen Sie das Mückenspray nicht.

Wutzrock Festival, vom 9. bis 11. August am Eichbaumsee in Hamburg-Allermöhe, mehr Infos hier.

Annika Lasarzik