Berlin. Immer häufiger machen Nester in der Stadt Probleme. Sind Wespen in diesem Jahr aggressiver? Was tun bei einem Stich? Experten klären auf.
Sie sind wieder da! Pünktlich zu Beginn der Wespenzeit tauchen immer mehr Nester der gelb-schwarzen Insekten in Berlin auf. Die Hautflügler schwirren über die Tische der Biergärten, dringen frech in Häuser ein und stören beim Entspannen auf dem Liegestuhl im Garten. Und nicht nur das. Erst Anfang der Woche musste der sogenannte Zauberspielplatz im Volkspark Wilmersdorf vorübergehend schließen, weil ein Wespennest auf ihm entdeckt wurde. „Wespenstiche verursachen bei Kindern starke Schmerzen und Schwellungen und sind besonders gefährlich für Allergiker, da sie schwere allergische Reaktionen bis hin zu einem anaphylaktischen Schock auslösen können“, hieß es dazu in einer Mitteilung des Bezirksamts.
Doch stimmt die alte Weisheit überhaupt, dass ein regenreicher Sommer wie der diesjährige automatisch zu aggressiveren Wespen führt, da weniger Exemplare in der Lage sind, zu schlüpfen? Nein, sagt Derk Ehlert, Wildtierexperte der Senatsumweltverwaltung: „An dem Verhalten der Wespen ändert sich wetterbedingt nichts, es gibt keine Auffälligkeiten.“ Dennoch treffe es zu, dass 2024 aufgrund der vielen Regenschauer wahrscheinlich weniger Wespen unterwegs sein werden als bei vorherigen Hitzeperioden. Bei starkem Regen gingen mehr Nester kaputt und jeder Regentag bedeute einen Flugtag weniger, an dem Material für Nester oder Nahrung beschafft werden könne.
Bald bekommen die Wespen Hunger auf Kohlenhydrate
Dabei stehe die große Zeit der Konflikte mit dem Menschen noch bevor, in knapp zwei Wochen erst schlüpft der Wespennachwuchs. Gerade sind die Brummer noch damit beschäftigt, ihre Völker aufzubauen. „Momentan benötigen die Wespen Eiweiße, die sie primär in der Natur finden“, so Experte Ehlert. Erst später, wenn die Völker stark genug sind und es um Kohlenhydrate geht, würden sich die Insekten über die süßen Speisen auf dem Gartentisch hermachen und sich für unsere Teller und Getränke interessieren. „Dann sollte man ruhig bleiben und die Tiere weder wegscheuchen noch sie provozieren und wegschlagen“, warnt Ehlert. Ansonsten könne es schnell zu einem schmerzvollen Stich kommen.
Die Berliner Feuerwehr berichtet derzeit noch nicht von einem erhöhten Einsatzaufkommen wegen Wespenstichen. Dennoch sollten die Berliner für den Ernstfall gewappnet sein, am besten nicht panisch oder hektisch reagieren, Getränke und Nahrung im Freien abdecken und möglichst nicht barfuß laufen.
Stiche können schnell anschwellen
„Wenn es sicher eine Wespe war, wird es an der Stichstelle und ihrer unmittelbaren Umgebung wehtun und eine örtlich begrenzte Schwellung geben“, erklärt Feuerwehrsprecher Kevin Bartke auf Nachfrage. „Im Gegensatz zu Bienen und Hummeln kann eine Wespe oder Hornisse ihren Stachel nach dem Stich wieder aus der Haut ziehen.“ Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) empfiehlt bei einem steckengebliebenen Stachel, diesen möglichst schnell wieder herauszuziehen, indem man ihn mit den Fingernägeln wegkratzt oder eine Pinzette nutzt. Mit den Fingern sollte man ihn jedoch möglichst nicht herausziehen, um nicht noch Gift in den Einstich zu drücken.
Häufig seien Finger oder die Hand von Angriffen betroffen. „Dann bitte auf jeden Fall so schnell wie möglich Ringe, Armbänder und ähnliches abnehmen, damit der anschwellende Finger oder die Hand nicht abgeschnürt werden“, empfiehlt Feuerwehrsprecher Bartke. „Kühlen und Hochhalten hilft.“ Nach ein bis zwei Tagen sollte die Schwellung dann zurückgehen und aus dem Schmerz Juckreiz werden, der wiederum noch ein paar Tage anhält. Klar ist: Normalerweise ist ein einfacher Insektenstich kein Fall für die Notfallrettung.
In einigen Fällen muss die 112 gewählt werden
Die 112 sollte laut Feuerwehr jedoch gewählt werden, wenn Insektenstiche innerhalb der Mundhöhle oder des Rachens auftreten. „Hier kann es zu einer starken Schwellung der Zunge, der Mund- und Rachenschleimhäute kommen“, erklärt Bartke. „Dadurch können die Atemwege verklebt werden und das ist lebensbedrohlich!“. Die betroffene Person sollte in jedem Fall Eiswürfel lutschen, um die Schwellung zu verlangsamen, bis die Notfallmediziner eintreffen.
Auch allergische Reaktionen seien gefährlich. „Schwere allergische Reaktionen nach Insektenstichen erkennt man daran, dass Symptome über die gestochene Stelle hinaus auftreten“, so der Experte. „Das können Hautausschlag, Schwellungen der Haut im Gesicht, am Hals und darüber hinaus, Atemnot, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder ein Kreislaufkollaps sein.“ Eine geeignete Erste-Hilfe-Maßnahme sei dann etwa, die betroffene Person hinzulegen und wenn Luftnot besteht, den Oberkörper und die Beine gleichzeitig hochlagern. „Wenn bei der betroffenen Person eine Insektengiftallergie bekannt ist, hat sie vielleicht einen Allergiepass dabei, einen Autoinjektor mit Adrenalin oder andere Notfallmedikamente“, sagt Bartke. Eine frühe Behandlung etwa auch mit Herzrhythmusmassagen könne hier lebensrettend sein.
Ein weiteres Problem seien mehrere Insektenstiche in kurzer Zeit. „Wenn nicht nur ein einzelnes Insekt oder eine kleine Anzahl, sondern eine Vielzahl von Tieren gestochen haben, kann die Giftwirkung auch unabhängig einer vorbestehenden Allergie bedrohlich sein“, so Bartke. „Das passiert, wenn die Insekten ihr Nest bedroht sehen, etwa beim Versuch, ein solches zu entfernen oder zu zerstören.“
Wespen sind nützliche Bestandteile des Ökosystems
Zur Vorbeugung vor Stichen empfehlen Experten, Abstand zu den Tieren zu halten und ihre Nester in Ruhe zu lassen. „Und besondere Vorsicht beim Verzehr von Eiscreme, süßen Getränken und Fleisch“, mahnt Feuerwehrsprecher Bartke. „Wespen mögen sie genauso gerne, wie Menschen es tun können.“
Trotz ihres schlechten Rufs möchte Ehlert indes eine Lanze für die Wespen brechen und ihre meist negative Wahrnehmung verbessern. „Sie sind wichtiger Teil des natürlichen Kreislaufs und nützlich, fressen andere Kleininsekten und sind selbst Nahrung für viele Vogelarten“, erklärt der Wildtierexperte die Bedeutung der mitunter nervigen Brummer.