Was passiert, wenn Assad stürzt? Schwere Folgen für Iran, Nahost und Russland drohen
Das Vorrücken der Rebellen in Syrien auf Damaskus könnten den Sturz von Assad einläuten. Iran und Irak warnen vor Folgen für die ganze Region, auch Putin wäre betroffen.
Bagdad – Die Außenminister vom Iran, Irak und von Syrien haben vor einer wachsenden Gefahr für die Stabilität in Nahost angesichts des jüngsten Vormarschs islamistischer Kämpfer in Syrien gewarnt. Am Samstag entwickelten sich die Dinge in Syrien dramatisch – sogar die Einnahme der Hauptstadt Damaskus durch islamistische Aufständische könnte kurz bevorstehen.
Warnung vor Eskalation: Sturz von Assad in Syrien hätte für Nahen Osten schwere Folgen
In einer gemeinsamen Erklärung nach einem Treffen in Bagdad erklärten die Außenminister von Iran, Irak und Syrien: „Die Bedrohung der Sicherheit Syriens stellt eine Gefahr für die Stabilität in der Region dar.“ Sollte der Vormarsch zum Ende des Assad-Regimes, hätte dies für den gesamten Nahen Osten ernsthafte Folgen.
Rebellen erklären Sturz von Assad zum Ziel ihres Aufstands in Syrien
Syrische Rebellen, angeführt von der islamistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham, haben zuletzt zwei strategisch wichtige Städte eingenommen, Aleppo und Hama. Ziel der rasch vorrückenden Rebellen ist es, Homs und schließlich Damaskus zu erreichen.
„Das Ziel der Revolution bleibt der Sturz dieses Regimes. Es ist unser Recht, alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um dieses Ziel zu erreichen“, erklärte Rebellenführer Abu Mohammad al-Jolani laut CNN. Für die verschiedenen Staaten im Nahen Osten, aber auch Russland, bedeuten die Fortschritte der Rebellen in Syrien ganz unterschiedliche Dinge.
Iran verspricht „jegliche Unterstützung“ für Assad– Fall des Regimes bedroht Teherans Machtstrategie
Der Iran hat Assad militärisch und finanziell unterstützt, um seine regionale Einflusszone zu sichern. Die iranisch unterstütze Miliz Hisbollah fokussierte sich im vergangenen Jahr jedoch zunehmend auf Israel und den Krieg in Gaza, was Syrien schwächte. Israel schränkte außerdem durch wiederholte Angriffe Nachschubrouten ein und startete immer wieder Angriffe auf iranisches Personal in Syrien.
Meine news
Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi sagte, Teheran würde die Möglichkeit „prüfen“, Truppen nach Syrien zu entsenden. Er sagte weiter, der Iran würde die verbündete Assad-Regierung mit „jeglicher Unterstützung“ versorgen, um den Vormarsch der Milizen zu stoppen.
Sturz von Assad in Syrien wäre für Iran herber Rückschlag
Der Verlust Syriens wäre für den Iran ein herber Rückschlag. Syrien ist für den Iran und die iranisch finanzierten Milizen ein wichtiger Standort, aber auch für potenzielle Gespräche mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump spielt das Land eine Rolle. Der irakische Außenminister Hussein erklärte ebenfalls, seine Sicherheitskräfte seien „in höchster Alarmbereitschaft“.
Israel gewinnt temporär – muss langfristig Risiken durch möglichen Sturz des Assad-Regimes fürchten
Für Israel bedeuten die Entwicklungen im Syrien sowohl Chancen als auch Risiken. Der Iran und seine Milizen sind durch den Krieg mit Israel in Syrien geschwächt. Doch ein möglicher Machtwechsel könnte eine neue Bedrohung durch islamistische Gruppierungen wie Hayat Tahrir al-Sham darstellen.
„Israel befindet sich zwischen dem Iran, seinen Stellvertretern und den islamischen Rebellen in Syrien“, so Avi Melamed, ein ehemaliger israelischer Geheimdienstmitarbeiter, gegenüber CNN. „Keine der Optionen ist gut für Israel, aber im Moment sind der Iran und seine Stellvertreter geschwächt, was gut ist.“
„Putin hat zu viel Kapital in Assad gesteckt“ – Was der Sturz für Putin bedeuten würde
Moskau hat Assad seit 2015 durch Luftschläge und strategische Unterstützung geholfen. Die kürzliche Offensive der Rebellen in Syrien kam plötzlich und Russland war mit dem Ukraine-Krieg beschäftigt. Der Kreml gab allerdings an, er würde die Assad-Regierung „sicherlich weiterhin unterstützen“.
Nicole Grajewski, eine Fellow im Nuklearpolitikprogramm der Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden mit Schwerpunkt Russland, sagte laut CNN zu möglichen Folgen eines Sturzes des Assad-Regimes: „Russland hat viel zu viel Kapital in Assad gesteckt, und der Verlust Syriens wäre ein noch größerer Verlust für seinen allgemeinen Status als Großmacht und seine Fähigkeit, im Nahen Osten zu manövrieren.“
Türkei unterstützt weiterhin Rebellen-Gruppen in Syrien – Verhandlungen für eigene Zwecke
Die Türkei unterstützt Teile der Opposition in Syrien, versucht jedoch gleichzeitig, mit Damaskus für eigene Ziele zu verhandeln. Präsident Recep Tayyip Erdogan hofft, durch eine geschwächte Assad-Regierung Zugeständnisse für die Rückführung von rund 3,1 Millionen syrischen Flüchtlingen zu erhalten und seine Ziele entlang der syrisch-türkischen Grenze zu sichern. Außerdem will die Türkei durch die Unterstützung der Rebellen in Syrien auch eine Pufferzone zu kurdischen Gruppen schaffen.
In den vergangenen Jahren half Ankara der Opposition auch als Mediator für Waffenstillstandsgespräche. Nun sagte Erdogan am Freitag jedoch: „Idlib, Hama, Homs und natürlich das Ziel, Damaskus: Der Vormarsch der Oppositionellen geht weiter. Wir wünschen uns, dass dieser Vormarsch ohne Zwischenfälle fortgesetzt wird.“
Naher Osten sieht Destabilisierung durch Sturz des Assad-Regimes – Außenminister beraten
Auch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate spielen in dem Konflikt eine Rolle, denn sie näherten sich dem Assad-Regime langsam wieder an. „2011 kamen sehr viele Länder recht schnell zu der Ansicht, dass es ihnen besser ginge, wenn Assad stürzt, und sie wollten ihn loswerden … aber die Saudis, die Emiratis und andere in der Region sehen dies jetzt als eine Herausforderung und destabilisierende Situation für sie, wenn Assad jetzt stürzt“, sagte Trita Parsi, stellvertretende Vorsitzende des Quincy-Instituts in Washington DC, laut CNN.
Parsi sagte weiter: „Wir könnten sehen, dass viele dieser Länder die Situation ausnutzen wollen, um ihre eigene Position in Syrien zu verbessern, insbesondere mit dem Iran, aber das setzt voraus, dass Assad geschwächt wird, aber bleibt – eine ganz andere Position als die, die sie früher hatten, als sie alles auf ihn warfen, um ihn ganz loszuwerden“.
Aus diesem Grund nahmen Irans Außenminister Abbas Araghchi, sein irakischer Kollege Fuad Hussein und Syriens Außenminister Bassam al-Sabbagh am Freitag an einem Treffen in Bagdad teil. In ihrer Erklärung betonten die Außenminister die „Notwendigkeit arabischer, regionaler und internationaler Maßnahmen“, um friedliche Lösungen für die Herausforderungen in Syrien und der Region zu finden.
Das Treffen diente als Vorbereitung für weitere Gespräche in Doha. Am Samstag kommen die Außenminister der Türkei, Irans und Russlands in Katar zusammen, um die Lage in Syrien zu erörtern. (lismah/AFP)
Auch interessant
Kommentare
Teilen