Russlands Wirtschaft in „desolatem Zustand“ – EU will Sanktionspolitik verschärfen
Europa will die Sanktionen verschärfen. Laut einer Beauftragten sind deutliche Auswirkungen sichtbar. Russlands Wirtschaft sei geschwächt.
Kiew – Der Ukraine-Krieg wird zunehmend zum Wahlkampfthema in Deutschland. Erst kürzlich war der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz ( SPD) überraschend nach Kiew aufgebrochen, sowohl die Bundesrepublik als auch die USA hatten neue millionenschwere Unterstützung für die Ukraine angekündigt. Zuletzt war auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in der Ukraine – und hatte Einblicke in die künftige EU-Strategie gegeben.
Russlands Wirtschaft in der Klemme – EU-Beauftragte: „Wir sehen die Wirksamkeit der Sanktionen“
Aktuell treten die Auswirkungen der westlichen Sanktionen auf Russlands Wirtschaft immer deutlicher zutage. Laut der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas, vormals estnische Premierministerin, will Europa die Sanktionsstrategie auch im neuen Jahr weiter verschärfen. Einerseits sollen die bestehenden Sanktionen noch effektiver werden, andererseits wolle der Westen die innerhalb der Europäischen Union (EU) eingefrorenen russischen Gelder für die Hilfe der Ukraine nutzen.
Zugleich sorgt der Westen dafür, dass die Sanktionen nicht mehr im selben Maß umgangen werden können wie es vorher der Fall war. Ab März soll eine neue Regelung in Kraft treten, die die Umgehung von Sanktionen kriminalisieren wird. „Ich glaube, das ist eine gute Sache“, sagte Kallas dazu. „Und ein Signal für alle, die Sanktionen bloß nicht zu umgehen. Allerdings gibt es noch so viel mehr, was wir tun können, um sicherzustellen, dass die Sanktionen befolgt werden.“
„Ich will betonen, dass wir die Wirksamkeit der Sanktionen sehen“, erklärte Kallas gegenüber dem Nachrichtenportal Kyiv Independent. „Aber wenn wir alle unsere Mühen darauf konzentrieren, die Sanktionen korrekt zu implementieren, würden wir bessere Resultate erzielen – was Russland schwächt.“
Russlands Wirtschaft in „desolatem Zustand“ – Reserve leer und Leitzins im Aufstieg?
Tatsächlich sieht Kallas bereits einen starken Verfall von Russlands Wirtschaft. „Wir sehen, dass sich ihre Wirtschaft in einem desolaten Zustand befindet“, sagte die EU-Verantwortliche. Innerhalb der vergangenen Monate hatte Russlands Wirtschaft mit mehreren Herausforderungen zu kämpfen. Zum Beispiel befindet sich der Leitzins im Anstieg – er liegt bei etwa 21 Prozent – was zu einem massiven Plus bei der Inflationsrate gesorgt hatte. Für 2024, soweit die Prognosen, soll sie bei rund zehn Prozent liegen. „Schauen Sie sich den Leitzins der russischen Bank an, der liegt bei 21 Prozent. Der Nationalfonds ist vollständig entleert. Sie (die Russen, Anm. d. Red.) erreichen ihre alten Gewinne aus Gasverkäufen nicht mehr“, sagte Kallas.
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Einer Analyse des Columbia Center of Sustainable Investment zufolge verfügt Russland über zwei Fonds für natürliche Ressourcen. Einerseits wäre da der sogenannte Reserve-Fund, der der Stabilisierung der Wirtschaft dienen soll. Nummer zwei, der nationale Wohlstandsfonds, ist eigentlich für die Altersvorsorge künftiger Rentengenerationen vorgesehen. Allerdings hatte sich Putin auch hier bereits großzügig bedient – schon im vergangenen Winter hatten Ökonomen bemerkt, dass die liquiden Mittel des Fonds auf die Hälfte zusammengeschrumpft waren.
Laut dem Thinktank Carnegie Endowment for International Peace stützen die offiziellen Zahlen Kallas‘ Behauptung nur bedingt. Angeblich hatte der Nationale Wohlstandsfonds Anfang 2024 noch liquide Mittel in Höhe von rund 130 Milliarden US-Dollar, etwas weniger als die Hälfte davon in liquiden Mitteln. Allerdings sind tatsächliche Angaben schwer zu kriegen – der Fonds hatte bereits 2013 wegen mangelnder Transparenz den Unmut des Columbia Center erregt und die Zahlen, nach denen Carnegie Endowment arbeitet, stammen aus dem russischen Finanzministerium.
Zu wenig Arbeitskräfte – Überhitzung in Russlands Wirtschaft
Ein weiteres Problem sei der Arbeitsmarkt. Weil der russische Präsident Wladimir Putin die Rüstungsindustrie in einem enormen Maße bevorzugt, gehen andere Branchen leer aus. 2025 will Russland 40 Prozent seines Budgets in die Kriegsmaschinerie pumpen. Ökonomen hatten hier wiederholt vor einer Überhitzung der russischen Wirtschaft gewarnt – die produzierten Güter sorgen wegen ihres Einsatzes in der Ukraine nicht für nachhaltiges Wachstum.
Hier geht die Analyse von Carnegie Endowment mit Kallas Bemerkungen konform. Mit dem demografischen Wandel und der aktiven Abwanderung junger Fachkräfte wirken gleich zwei gravierende Entwicklungen negativ auf den russischen Arbeitsmarkt. „Das Ergebnis davon ist, dass die Rüstungsindustrie, die Armee und andere Arbeitgeber um einen schrumpfenden Pool der geeigneten Arbeitskräfte konkurrieren“, erklärte der Thinktank. Zwar zeigen Offizielle und Propagandisten gern auf die nahezu Vollbeschäftigung in Russland, aber diese unterstreiche nur das zugrundeliegende Problem: Es gibt schlicht zu wenig Arbeitskräfte.
Sanktionen drücken auf Russlands Wirtschaft – China-Banken nehmen Abstand
Zuletzt hat Russland immer größere Probleme im Bankensektor. Erst im November hatte die Regierung der USA ein neues Sanktionspaket verabschiedet, das unter anderem auf Dutzende russische Banken zielte und der Wirtschaft einen weiteren Schlag versetzte. Der Rubel verlor drastisch an Wert, die Inflation stieg noch weiter.
Über die vergangenen Monate hinweg hatte sich wiederholt gezeigt, dass die West-Sanktionen auch unter Russlands eigentlichen Handelspartnern zunehmend Sorge auslösen. Mehrere chinesische Großbanken hatten Abstand zu russischen Handelspartnern genommen.
„Wir sollten Russlands Macht nicht überschätzen“, befand Kallas. „Und unsere eigene Kraft sollten wir nicht unterschätzen.“
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