Russische Schattenflotte: Nato reagiert auf Bedrohung in der Ostsee
Die Nato reagiert auf mutmaßliche Sabotage in der Ostsee. Mehr Schiffe sollen die kritische Infrastruktur sichern.
Kiel – Zuletzt wurden mehrere Unterseekabel in der Ostsee beschädigt. Schnell fiel der Verdacht auf die russische Schattenflotte. Das Verteidigungsbündnis Nato plant nun, solchen hybriden Angriffen vorzubeugen und die Ostsee künftig stärker zu sichern.
Kritische Infrastruktur in der Ostsee: Nato schickt mehr Schiffe auf Patrouille
Auf dem Meeresboden verlaufen Kabel, die zur kritischen Infrastruktur Europas gehören. Ihre Zerstörung birgt Gefahren. Fregattenkapitän Göran Swistek, ein Experte der Bundeswehr für maritime Sicherheit bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, erklärt: „Ein Datenkabel, eine Pipeline, ein Windpark wird dem Staat nicht nachhaltig schaden. Da aber, wo ich mehr Infrastruktur habe – wo ich mehr Infrastruktur auch gleichzeitig kaputt machen könnte – da können Kaskadeneffekte entstehen, sodass ich einem Land, einem Staat, einer Gesellschaft Schaden zufügen kann.“
Die Ostsee zählt zu den am stärksten befahrenen Gewässern weltweit. „Wir werden wahrscheinlich nie einen Zustand erreichen können, in dem wir alles das, was an Infrastruktur existiert, schützen können“, so Swistek weiter. Um den Schutz dennoch zu erhöhen, verstärkt die Nato nun ihre Präsenz in der Region und verlegt mehr Schiffe in die Region. Zwei Nato-Schiffe sollen zunächst zur Patrouille in die Ostsee entsandt werden, wie die finnische Außenministerin Elina Valtonen am Freitag (10. Januar) mitteilte. Als klares Signal gilt auch die Entsendung des ständigen Minenräum-Verbands der Nato von Kiel in Richtung Baltikum. Ursprünglich sollten die Schiffe in die Nordsee fahren, doch die Umstände hätten sich geändert, sagte der neue Kommandeur, Erik Kockx.
Nato-Gipfel in Helsinki: Wer stoppt Russlands Schattenflotte?
Der Nato-Gipfel am kommenden Dienstag in Helsinki wird sich ebenfalls mit der Sicherheitslage in der Ostsee befassen. Dabei soll es um „den künftigen Umgang mit der Bedrohung durch die russische Schattenflotte“ gehen, wie eine Sprecherin von Bundeskanzler Olaf Scholz ( SPD) mitteilte. Details sollen demnach in der kommenden Woche bekannt gegeben werden. Wie aktuell das Thema weiterhin ist, zeigt sich auch der Fall eines manövrierunfähigen Tankers, der derzeit nördlich der Insel Rügen treibt. Recherchen von Greenpeace zufolge gehört die 18 Jahre alte „Eventin“ zur russischen Schattenflotte, die Moskau nutzt, um westliche Sanktionen beim Öltransport zu umgehen.
Bereits Ende des letzten Jahres trieb ein anderes Schiff mit hochexplosiver Fracht aus Russland wochenlang in der Nordsee. Zudem häuften sich zuletzt Sabotageakte an wichtiger Infrastruktur: Am ersten Weihnachtstag wurde eine Störung am Stromkabel Estlink 2 in der Ostsee entdeckt, das Finnland mit Estland verbindet. Der Verdacht der finnischen Ermittler fiel auf den Öltanker „Eagle S“, dessen Anker kilometerweit über den Meeresgrund geschliffen war. Einen Monat zuvor wurde bereits ein Schaden an zwei Telekommunikationskabeln in der Ostsee festgestellt, wobei damals ein chinesisches Frachtschiff verdächtigt wurde.
Russland testet rote Linien: Was ist ein hybrider Krieg?
Bereits im vergangenen Oktober warnte der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, im Deutschen Bundestag vor einer Zunahme hybrider Angriffe: „Mit dem umfassenden Einsatz hybrider Methoden und Mittel durch Russland steigt auch das Risiko, dass sich irgendwann die Frage eines NATO-Bündnisfalls stellen könnte.“ Hybride Kriegsführung umfasst Angriffe unterhalb der Schwelle direkter militärischer Intervention, wie etwa Sabotage, Desinformation oder Cyberangriffe.
Meine news
Kahl prognostizierte, dass die russischen Streitkräfte spätestens ab Ende dieses Jahrzehnts „personell und materiell in der Lage“ seien, „einen Angriff gegen die Nato durchzuführen“. Zuvor werde Putin „rote Linien des Westens austesten und die Konfrontation weiter eskalieren“, so der BND-Chef weiter. Auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) warnte am Freitag eindringlich vor den Gefahren durch die kontinuierlichen hybriden Angriffe Russlands gegen westliche Staaten in der Ostsee. „Es passiert täglich“, betonte Pistorius und kritisierte, dass es „einige bei uns in Deutschland gibt, die das immer noch nicht wahrhaben wollen“.
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat die Deutsche Marine ihre Präsenz in der Ostsee im Rahmen der Operation Baltic Guard verstärkt und sei laut Pistorius „in einer Vorreiterrolle dabei“. Am Stützpunkt Nordholz bei Cuxhaven befindet sich das Marinefliegerkommando der Bundeswehr. In den nächsten zehn Jahren soll der Stützpunkt mit 400 Millionen Euro weiter ausgebaut werden. Es werde auch über den Einsatz von Sensoren, Drohnen und unbemannten U-Booten nachgedacht, erklärte Bundeswehr-Experte Swistek im vergangenen Sommer. Im Rahmen der Operation Nordic Warden soll zudem Künstliche Intelligenz zur Überwachung der russischen Schattenflotte eingesetzt werden, wie aus einer Pressemitteilung des britischen Verteidigungsministeriums vom Montag hervorgeht.
Auch interessant
Kommentare
Teilen