„Opus“ von Ryuichi Sakamoto: Wenn es um Stille geht
„Opus“: Ein postumes Konzertalbum mit dem im März verstorbenen Ryuichi Sakamoto am Klavier.
Für einen Bühnenauftritt, hat Ryuichi Sakamoto seinerzeit wissen lassen, sei er zu schwach, darum zeichnete er sein letztes Konzert im September 2022 Nummer um Nummer im historischen Studio 509 der japanischen Rundfunkstation NHK auf und fügte es zum Online-Auftritt zusammen, in wirkungsvollem Schwarzweiß gefilmt von seinem Sohn, dem Regisseur Neo Sora. Am 28. März dieses Jahres starb der große japanische Musiker mit 71 Jahren an einer Krebserkrankung (seiner zweiten bereits). Nun sind unter dem Titel „Opus“ die Aufnahmen erschienen.
Am bekanntesten dürfte Sakamoto für seine Musiken zu Filmklassikern wie „Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence“ (1983), „The Last Emperor“ (1987) und „The Revenant“ (2015) sein. Begonnen hatte sein Weg indes Ende der siebziger Jahre mit der Band Yellow Magic Orchestra, der wegen ihres Elektropop-Avantgardismus der zweifelhafte Vergleich „die japanischen Kraftwerk“ zugeschrieben wurde. Die Musik stellte sich jedoch leichthändiger, spielerischer dar, und nicht zuletzt auch humorvoller.
Für einen wichtigen Zweig von Sakamotos Schaffen steht die Reihe der Klavieralben, die mit „Opus“ um eine Position reicher ist. Das Repertoire reicht quer durch das Werk, angefangen mit „Tong Poo“ (1978) in einer gegenüber dem Original des Yellow Magic Orchestra erheblich verlangsamten Fassung. Gleichwohl gehört sie mit ihrem jazzaffinen Groove zum Schwungvollsten der Auswahl.
Der größere Teil der zwanzig Stücke, darunter Klavierfassungen von Filmmusiken, ist zutiefst kontemplativ. Die zentralen Einflüsse für das von einer Fokussierung auf den Klang geprägte Klavierwerk markieren Erik Satie sowie der Impressionismus um Maurice Ravel und Claude Debussy. Der Zeit zwischen den Tönen kommt eine fundamentale Rolle zu. Der mexikanische Filmregisseur Alejandro González Iñárritu hat einmal gesagt, er brauche einen Komponisten, der Stille versteht. „Da war Ryuichi Sakamoto die erste Wahl.“
Bei drei Stücken handelt es sich um Erstveröffentlichtungen, zwei davon sind verstorbenen Kollegen gewidmet, „BB“ (Bernardo Bertolucci) und „For Jóhann“ (der geistesverwandte isländische Komponist Jóhann Johannson). Diese beiden Stücke sind von einer gesteigerten Flüchtigkeit des Klangs gekennzeichnet, die sich im Falle von „For Jóhann“ freilich über sechs Minuten hinweg zu einer melodischen Gebundenheit verdichtet.
Das nach dem Tag seiner Entstehung benannte „20180219“ mit seinen metallisch klingenden präparierten Saiten erinnert in seiner Atmosphäre ein wenig an die Reihe der fabelhaften Werke, die in einer künstlerischen Liaison mit dem als Alva Noto firmierenden deutschen Elektronikmusiker Carsten Nicolai entstanden. „Trioon“ indes, ebenfalls aus dieser Partnerschaft, kommt dem originalen Klavierpart sehr nahe.
In einer Annäherung an eine Dramaturgie der dynamischen Steigerung – es handelt sich ja um ein Konzertprogramm – tauchen in der zweiten Hälfte der neunzig Minuten vereinzelt Stücke von einiger Klangwucht auf. Mitunter sind Geräusche aus dem Studio zu hören, in „Andata“ etwa der Atem Sakamotos, intime Momente.
Die melancholisch-existenzielle Note mag die Todesnähe spüren lassen. Das Bewusstsein um Zeit und Endlichkeit freilich ist der Klaviermusik Sakamotos seit jeher eingeschrieben.
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