Berlin. Drummer Nick Mason zelebriert mit seiner Band Saucerful of Secrets das Frühwerk von Pink Floyd. Roger Waters ist am Rande auch dabei.
Nick Mason unterbricht seine Ansage im Tempodrom: „Schuldigung, diesen Anruf muss ich kurz annehmen.“ Schnell wird klar, dass der „telefonierende Drummer“ ein gespielter Witz ist, auf Kosten von Roger Waters. Mit gespielter Ahnungslosigkeit erklärt Mason: „Nein Roger, keine Ahnung, wo der Gong abgeblieben ist.“ (Kunstpause)
„Selbstverständlich, wenn ich ihn finden sollte, sage ich sofort Bescheid.“ Dann geht‘s weiter mit „Set the Controls for the Heart of the Sun“, und Mason klöppelt das Intro des psychedelisch verblasenen Stücks aus dem Jahr 1968. Auf dem Gong. Das Auf-den-Gong-hauen war in den frühen Jahren von Pink Floyd das Vorrecht von Roger Waters. Aber nicht an diesem Abend: „Tonight‘s my night“, sagt Mason genüsslich.
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Nische im Pink-Floyd-Revivalmarkt: Die Jahre bis 1972
Nick Mason war gerade 74 geworden, als er die Saucerful of Secrets zusammenstellte, um im lukrativen Pink-Floyd-Revivalmarkt eine besondere Nische zu bespielen. Das Repertoire besteht ausschließlich aus Songs der Jahre bis 1972, also vor „Dark Side of the Moon“. Die ersten Testkonzerte im Frühjahr 2018 in London euphorisierten die Fans derart, dass die Band seither beinahe ununterbrochen tourt, von einer Corona-Zwangspause 2020/21 einmal abgesehen.
Die letzte Berlin-Show (an gleicher Stelle) liegt zwei Jahre und einen Monat zurück. Im Vergleich dazu hat Mason die Setlist nur behutsam verändert, insofern stimmt das mit der „Untertasse voller Geheimnisse“ nur bedingt. Die Show geht los mit „Astronomy Domine“, dessen hämmerndes Intro viele Jahre die Erkennungsmelodie des ARD-Brennpunkts war.
Dem Klangmonument aus Pink Floyds experimenteller Syd-Barrett-Phase folgen, ebenfalls Jahrgang 1967, die Singles „Arnold Layne“ und „See Emily Play“. Im knackigen Drei-Minuten-Format begann seinerzeit die Karriere der Band, mit „Emily“ waren sie mehrmals bei „Top of the Pops“ zu sehen.
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Während der 80-jährige Mason im weißen Hemd kerzengerade hinter seinem Drumkit sitzt, ist auf den Videowänden sein jüngeres Ich zu sehen, mit Stirnband und mächtigem Schnäuzer. Das verstärkt den Zeitreise-Effekt des Konzerts.
Aus dem Jenseits singt Syd Barrett – die moderne Technik macht es möglich
Bassist Guy Pratt und Gitarrist Gary Kemp (Ex-Spandau Ballett) teilen sich die Gesangsparts – bis auf eine Ausnahme. „Remember Me“ spielt die Band auf der aktuellen Tour zum ersten Mal überhaupt, synchron zur Gesangsstimme von Syd Barrett.
Der technologische Fortschritt machte es möglich, die Gesangsspur auf einem Demoband von 1965 zu isolieren – so wie die Beatles es zuletzt mit John Lennon („Now & Then“) gemacht hatten. Die Hommage an den 2006 gestorbenen Barrett ist mehr warmherzige Geste als musikalische Offenbarung – ihren eigenen Stil hatten Floyd zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefunden.
Danach wird eher wenig gesungen. Mason und Band zelebrieren die formatsprengenden, im Original jeweils eine Schallplattenseite langen Floyd-Tracks „Atom Heart Mother“ (zupackend gekürzt) und „Echoes“ (das volle 22-Minuten-Pfund, vom einleitenden „Pling“ bis zum dissonanten Möwenkreischen und wieder zurück).
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Bass gegen Bass: Bei „One of These Days“ dreht die Band auf
Das lässt sich nur noch mit „One of These Days“ als Zugabe toppen, Pink Floyds Techno-Vorläufer von 1971. Kemp und Pratt drehen bei diesem Bassgitarren-Battle (im Original Waters vs. Gilmour) mächtig auf.
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Die Musiker haben erkennbar Spaß an der eigenen Performance, was selbst die härtesten Fans von den unnahbaren, politisierten Multiamedia-Spektakeln von Roger Waters nie behaupten würden. Pink-Floyd-Perfektionismus mit einem Lächeln auf dem Gesicht: Das ist schon eine hohe Kunst.