Kempten: Stadt stellt den Besucherverkehr auf fest vereinbarte Termine mit Sicherheitskontrolle um
Die Stadt Kempten will den Besucherverkehr grundlegend auf neue Beine stellen. Der Zugang zur Stadtverwaltung soll nur noch mit einem Termin möglich sein. Im Eingangsbereich der Gebäude sind Sicherheitskontrollen geplant.
Kempten – Der allgemeine gesellschaftliche Trend sei in den letzten zwei Jahren auch in Kempten angekommen, erklärte Referatsleiter Dr. Richard Schießl in seiner Einführung. Die Zahl von aggressiven und sexistischen Vorfällen gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung nehme zu. Die bisherigen präventiven Maßnahmen und die Schulung des Personals reiche nicht mehr aus. Die Betroffenen und die Führungskräfte hätten dringendst gefordert, weitere Schritte zu unternehmen. Nadine Briechle, Leiterin des Rechts- und Standesamtes, schilderte konkrete Vorfälle aus der nahen Vergangenheit, bei denen städtische Angestellte, um sich vor einem Randalierer zu schützen, sich in ihre Büros einsperren mussten oder körperlich bedrängt wurden, ohne einen Fluchtweg finden zu können. Verbale Angriffe, Türknallen oder Stühle umwerfen seien nichts Außergewöhnliches.
Neues System bringt viele Vorteile
Der Oberbürgermeister als Chef der Verwaltung erteilte im Juli den Auftrag, für dieses Ziel ein Projekt zu entwickeln und ordnete die Gründung einer Lenkungs- und einer Arbeitsgruppe an. Das jetzt vorgestellte Konzept basiere auf vielen Vorgesprächen und Klausurtagen und sei gut überlegt, betonte OB Kiechle. Er komme hiermit seiner Vorsorgepflicht nach. „Unser Ziel ist nicht eine Verwaltung, die sich abschottet, sondern eine moderne“, sagte er.
Was und wie konkret geplant ist, stellte Carina Reng, stellvertretende Leiterin des Amtes für zentrale Dienste vor. Das neue System bringe mehrere Vorteile, auch für die Bürgerinnen und Bürger. Die Einschränkung der Sprechzeiten auf die Vormittagsstunden und einen Nachmittag pro Woche entfalle, möglich seien Termine zwischen 8 und 17 Uhr. Es gebe nur noch kurze Wartezeiten. Im Vorfeld könne man klären, welche Unterlagen gebraucht werden. Die Zahlung von Bearbeitungsgebühren sei auch vor dem Termin möglich. Die Option, das Kundengespräch online zu führen, spare Fahrtwege sowie Zeit und ermögliche den Mitarbeitern längere Homeoffice-Zeiten. Was die Kunden dafür leisten müssten, sei die Vereinbarung eines Termins online, telefonisch oder vor Ort und das Einchecken über ein Terminal nach ihrer Ankunft (rollstuhlgerecht und mehrsprachig). Danach rufe man sie über einen Monitor auf. Die Sicherheitskräfte erfüllten gleichzeitig die Funktion von Servicekräften und könnten Menschen, die mit dem Digitalen nicht klarkommen, unterstützen. Durch die kontrollierten Besucherströme kämen auch die Kunden seltener in die Situation, aggressives Handeln ihrer Mitbürger hautnah erleben zu müssen.
Mehr Sicherheit für Mitarbeiter der Verwaltung
Für die Mitarbeiter entstehe mehr Sicherheit, weil sie im Vorfeld wüssten, wer komme und könnten dementsprechend den Raum wählen und entscheiden, ob sie eventuell zu zweit den Termin wahrnehmen. Man komme mit weniger Personal aus und spare Kosten im Verwaltungshaushalt ein. Durch mehr Sicherheit erhöhe sich die Attraktivität der Arbeitsplätze in der Verwaltung.
Eingeführt werde das System an vier Standorten: Rathausplatz 22, Kronenstraße 8, Gerberstraße 2 und in der Zulassungsstelle. Man plane mit großzügigen Übergangszeiten, auch für spontane Besucher gebe es immer Ansprechpartner. Etliche Ämter arbeiten bereits jetzt mit Terminreservierung, neu ist die einheitliche Einführung.
Diskussion im Ausschuss über neues System
Am meisten kritisiert wurde nicht das neue System, sondern die Kommunikation darüber. Alexander Hold (FW) sprach über einen „Paradigmenwechsel“ für die Bürger, Sie könnten nicht mehr in ihr Rathaus kommen, wenn sie nicht wüssten, wer ihnen helfen könne. Deswegen verstehe er nicht, warum der Stadtrat über den laufenden Prozess nicht informiert worden sei und wieso man das erste Mal in einer nichtöffentlichen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses darüber gesprochen habe, um Gelder für das Projekt zur Verfügung zu stellen, mit dem Hinweis, man könne sowieso nicht mehr zurück. „Darüber hätte der Stadtrat entscheiden müssen“, sagte er. Deswegen habe er im Namen seiner Fraktion beantragt, das Thema öffentlich zu behandeln, ergänzte Andreas Kibler. Die Beratungen hätten eher in den Personalausschuss gehört, aber dieser sei abgesagt worden. Sowohl der Oberbürgermeister als auch Stadtdirektor Wolfgang Klaus gestanden Defizite in der Kommunikation ein.
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Digitale Terminvergabe: Mehr Barrieren für Ältere
Josef Mayr ( CSU) sprach über ein „riesiges Problem“, das im Seniorenbeirat oft diskutiert werde. Es gebe genügend Menschen, die die digitale Welt als Bedrohung ansehen würden. „Werden wir Alte abgeschafft?“, fragen sie. Die Liste von Sachen, die sie nicht mehr nutzen könnten, werde größer: Fahrkarten kaufen beispielsweise oder Parkhäuser anfahren, die nur noch Kartenzahlung akzeptierten.
Hohe Kosten des neuen Systems
Thomas Hartmann (Grüne) kritisierte die hohen Kosten. Die Anschaffung der nötigen Geräte sei kein Problem, sondern die dauernden Ausgaben für Nutzungs- und Lizenzgebühren. „Jemand verdient sich eine goldene Nase daran.“ An dieser Stelle lasse sich nicht sparen, sagte Markus Bereiter, Leiter des Amtes für IuK-Service (Informations- und Kommunikationstechnologie). Die Verwaltung werde im anschließenden nichtöffentlichen Teil der Sitzung einen Anbieter vorschlagen, dessen System sich in Sonthofen seit mehr als einem Jahr bewährt habe, hieß es mehrmals. Auf die Anfrage des Kreisboten bestätigte Kerstin Spiegelt, Pressesprecherin der Stadt, dass das vor etwa eineinhalb Jahren eingeführte System nach kleineren Anfangsschwierigkeiten sehr gut laufe und sowohl die Bevölkerung als auch die Verwaltung damit zufrieden seien. Ein Sicherheitsdienst werde dort nicht gebraucht.
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