Kampf um Land und Vieh: Hat ein deutsches Unternehmen diese Menschen gewaltsam vertrieben?
Ein Agrarinvestment des deutschen Unternehmens Amatheon Agri in Sambia führt zu Konflikten mit der Bevölkerung. Jetzt schaltet sich die Regierung des Landes im südlichen Afrika ein.
„Sie hatten Gewehre und Schlagstöcke. Sie haben die Häuser mit Benzin übergossen und verbrannten sie. Wir versteckten uns im Haus und sie riefen, wir sollten rauskommen. Das taten wir nicht. Also kamen sie rein. Ich kannte vier von ihnen, die für Amatheon arbeiten, sie trugen Amatheon-T-Shirts“, sagt Anita Kalonga.
Die 20-Jährige lebt mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter in Dorf Apex in Sambia. Hier, im Distrikt Mumbwa, hat der Berliner Agrarinvestor Amatheon Agri 40.000 Hektar Ackerflächen gepachtet. Der Firma wird vorgeworfen, Konflikte um Land und Wasser zu verursachen (die FR berichtete).
Hütten abgebrannt und Hab und Gut verschwunden: Steckt eine deutsche Firma dahinter?
Im Frühjahr wurden mehrere Haushalte im Distrikt von Amatheon-Anwälten schriftlich aufgefordert, ihr Land binnen weniger Tagen zu verlassen. Doch im Juli untersagte ein Gericht Amatheon, das Land zu betreten. Der lokale Chief Kaindu hatte gegen die Aufforderung Amatheons geklagt, zog die Klage aber nach einem Treffen mit dem Unternehmen wieder zurück. „Noch in Nacht erreichten uns Nachrichten und Videos, die auf gewaltsame Vertreibungen schließen ließen“, sagt Roman Herre von Fian. Die Menschenrechtsorganisation arbeitet seit 2014 zu den Konflikten. Im Oktober besuchten Herre und Jan Urhahn, Agrarexperte der Rosa Luxemburg Stiftung, Mumbwa, um sich ein Bild von der Lage zu machen.
Die Aussagen, die sie dokumentieren, klingen erschütternd: Hütten seien abgebrannt, Menschen seien um ihr Hab und Gut gebracht worden. Einige müssten nun um Nahrung betteln. „Sie nahmen das Essen und die Teller, warfen sie weg und schrien, dass wir gehen müssen. Wir haben viel Hausrat verloren, als sie unsere Häuser niederbrannten“, sagte ihnen etwa Anitas Mutter Beatrice Kalonga. Binnen neun Monaten sei es laut Betroffenen in dem Dorf mit rund 40 Familien dreimal zu Zwangsräumungen gekommen. Aus Angst vor weiteren schlafe die Familie nun oft im Busch, die Kinder gingen nicht mehr zur Schule: „Wenn sie zurückkommen und wir sind nicht mehr da, gehen sie verloren.“
Deutsches Unternehmen weist die Vorwürfe vehement zurück
„Alle Bewohner des Dorfs Apex, mit denen wir gesprochen haben, berichteten uns, dass sie von Amatheon-Beschäftigten mit Schlagstöcken und von der sambischen Wildtierbehörde, bewehrt mit Schusswaffen, vertrieben wurden“, sagt Jan Urhahn. Dabei sei die Behörde außerhalb von Naturschutzgebieten nicht zuständig, Räumungen dürften nur von der Polizei durchgeführt werden. „Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen und Betroffene entschädigt werden“, fordert er.
MONOKULTUREN
Amatheon Agri baut in Sambia Mais und Soja in Monokulturen an. Nach eigenen Angaben beschäftigt das Unternehmen weltweit rund 1500 Mitarbeitende, darunter Fachleute mit Erfahrung beim Bundesentwicklungsministerium, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und beim UN World Food Programme, und leistet in Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft und der Regierung in Sambia „grundlegende Entwicklungsarbeit“. kha
Die Firma weist die Vorwürfe zurück: „Amatheon hat weder gewaltsame Vertreibungen durchgeführt noch Häuser abgebrannt oder das Eigentum von Anwohnern zerstört“, schreibt Geschäftsführer Max Sturm. Entscheidungen über Räumungen oder Umsiedlungen fielen ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der zuständigen Behörden. Er verweist auf einen Bericht der sambischen Menschenrechtskommission, die bis Anfang Oktober Untersuchungen bei Amatheon durchgeführt habe. Die Kommission habe „keinerlei Fehlverhalten durch Amatheon festgestellt“, erklärt Sturm. Das Unternehmen habe jederzeit gesetzeskonform gehandelt und Rechte der lokalen Gemeinschaften geachtet. Allerdings stellt Amatheon diesen Bericht auf Anfrage nicht zur Verfügung. Auch Fian liegt er nicht vor.
Unrechtmäßige Verträge geschlossen? Unternehmen zur Rückzahlung von Gebühren aufgefordert
Ein weiterer Konflikt betrifft den Umgang mit streunendem Vieh auf Land, das Amatheon beansprucht. Die Firma konfiszierte Tiere und verlangte für die Rückgabe 500 Kwacha. Das sind umgerechnet 17 Euro, ein Viertel des Monatseinkommens auf dem Land. Der Investor beruft sich auf eine Vereinbarung mit lokalen Behörden von 2016. „Sollte dies rechtlich anders beurteilt werden, werden wir selbstverständlich kooperieren und uns an die Vorgaben halten“, verspricht Sturm.
Tatsächlich bewertete das sambische Landwirtschaftsministerium die Vereinbarung in einem Schreiben als rechtswidrig. Die Beträge, die das Gesetz dafür vorsieht, sind um ein Vielfaches geringer. Ein Rechtsgutachten im Auftrag von Fian ergab außerdem, dass Vieh nicht konfisziert werden dürfe, wenn das Land, wie bei Amatheon der Fall, nicht eingezäunt sei. Entschädigungszahlungen dürfen demnach nur erhoben werden, wenn Ackerpflanzen zerstört worden sind. Laut den betroffenen Bauern wird auf dem Land, auf dem die Tiere eingefangen worden sind, von Amatheon aber gar nichts angebaut. Mittlerweile hat ein Anwalt, der die Gemeinden betreut, das Unternehmen schriftlich aufgefordert, die Gebühren zurückzuzahlen.
In den vielschichtigen Konflikten sind viele Frage offen. Auch die, wo und in welcher Form Amatheon Landrechte in den betroffenen Gebieten besitzt. Mittlerweile hat sich die Zentralregierung in Sambia eingeschaltet und angekündigt, die Vorwürfe gegen Amatheon gründlich zu untersuchen.
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