Jobcenter in der Krise: Fehlende Mittel und ungerechte Verteilung
Jobcenter leiden unter Geldmangel und einer ungleichen Verteilung der Mittel. Die Folgen sind drastisch, vor allem für kleinere Jobcenter in ländlichen Gebieten.
Berlin – Den Jobcentern fehlt das Geld. Immer wieder weisen Träger und Verbände auf eine nicht ausreichende Versorgung der Einrichtungen hin. Darunter leidet die Vermittlung von Bürgergeld-Beziehenden in Arbeit. Das Bundesnetzwerk für Arbeit und soziale Teilhabe forderte deshalb, den Jobcentern 2025 eine Milliarde Euro mehr zur Verfügung zu stellen. Ansonsten drohten drastische Folgen. Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zeigen schon jetzt, dass immer weniger Erwerbslose an Förderprogrammen zur Eingliederung in Arbeit teilnehmen.
Bürgergeld-Beziehende auf dem Land benachteiligt: Jobcenter bekommen weniger Mittel
Nicht nur fehlende Mittel aus dem Bundeshaushalt sind bei der Unterstützung von Menschen aus dem Bürgergeld in Arbeit ein Problem. Auch durch deren Verteilung auf die einzelnen Jobcenter ergeben sich Schwierigkeiten. „Die Mitteilung für die Verwaltung und Eingliederungsmittel werden nicht kopfteilig oder entsprechend der Einwohnerzahl verteilt, sondern nach intransparent erstellten Indikatoren“, sagte Matthias Birkwald, Renten- und Alterssicherungspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag und deren Obmann im Ausschuss für Arbeit und Soziales, IPPEN.MEDIA.
„Das ist ein Problem, denn diese bevorzugen in der Praxis vor allem große Jobcenter, während sie kleinere benachteiligen, die in der Regel in ländlichen Räumen beheimatet sind“, sagte Birkwald. „Gerade diese kleinen Jobcenter müssen oft viele Mittel, die eigentlich für die Eingliederung der Betroffenen gedacht sind, in die Jobcenter-Verwaltung umlenken.“
Bundesrechnungshof kritisiert Verteilung der Budgets für die Jobcenter
Birkwald beruft sich auf eine Analyse des Bundesrechnungshofs zur Verteilung der Gelder für die Verwaltung und Eingliederungsleistungen der Jobcenter von 2023. Diese untersuchte die Folgen der Rechtsverordnung des Bundesarbeitsministeriums für die Verteilung der Haushaltsmittel auf die Jobcenter.
Einerseits ist die durchschnittliche Anzahl der vom Jobcenter betreuten Erwerbslosen, also vor allem der Beziehenden von Bürgergeld, die Grundlage für die Verteilung. Zusätzlich gibt es jedoch zwei weitere Faktoren. Zum einen der sogenannte Problemdruckindikator: Liegt der Anteil der Leistungsberechtigten an der Bevölkerung, die sogenannte Grundsicherungsquote, über dem Durchschnitt, erhalten die betroffenen Jobcenter einen Zuschlag. Umgekehrt gibt es weniger, wenn es relativ gesehen weniger Bürgergeld-Beziehende gibt. Der zweite Indikator, der Strukturindikator, funktioniert genauso, konzentriert sich jedoch auf den Anteil der Langzeitarbeitslosen.
Bürgergeld-Beziehende im Nachteil: Kleinere Jobcenter kommen bei Finanzen in Schwierigkeiten
Das Problem: Von dieser Umverteilung profitieren laut Bundesrechnungshof besonders große Jobcenter. Kleinere Jobcenter bekommen dadurch weniger als ihnen nach der bloßen Anzahl der Leistungsberechtigten zugestanden hätte. Die Konsequenz: Betroffene Jobcenter hätten seit Jahren Schwierigkeiten, ihre Verwaltungskosten und ihre Eingliederungsmaßnahmen ausreichend zu finanzieren.
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Linken-Politiker Birkwald hat die Bundesregierung zu ihrer Einschätzung des Problems gefragt. Die Antwort liegt IPPEN.MEDIA vorab exklusiv vor. Eine Staatssekretärin aus Hubertus Heils Arbeitsministerium räumt ein, dass der Problemdruckindikator zu einer „leichten Umverteilung zu Gunsten von Jobcentern mit schwierigeren Arbeitsmarktlagen führt“, um „Chancengerechtigkeit für alle Leistungsberechtigten zu gewährleisten“. Jedoch erklärte sie auch, dass es zutreffend sei, dass kleinere Jobcenter weniger Mittel erhalten. Nicht zutreffend sei jedoch, dass „letztere in der Folge systematisch zu wenig Mittel zugeteilt bekämen“.
Jobcenter schieben Geld für Eingliederung von Arbeitslosen in die Verwaltung: Umschichtung von 20 Prozent
Die Nutzung von Mitteln für die Vermittlung in Arbeit für die Verwaltung innerhalb der Jobcenter beobachtet auch das Ministerium: Eine Verschiebung des Gelds für die Eingliederung der Erwerbslosen in Arbeit in die Verwaltung findet jedoch statt. 2023 seien die Verwaltungsmittel im Umfang von 1,1 Milliarden Euro verstärkt worden, während die Eingliederungstitel mit 5,3 Milliarden dotiert gewesen seien. „Dies entspricht einer durchschnittlichen Umschichtung von rund 20 Prozent“, heißt es in der Antwort auf die Linken-Anfrage. Die Jobcenter würden „mit Blick auf die Bedarfslagen vor Ort“ entscheiden, ob eine verstärkte Betreuung mit einem höheren Verwaltungsmittelaufwand oder eine stärkere Orientierung auf die Maßnahmen für Eingliederung zielführender seien.
Der Bundesrechnungshof kritisiert die bisherige Verteilung als „nicht mehr zeitgemäß und zu starr“. Das Arbeitsministerium habe die Effekte des Problemdruck- und Strukturindikators nicht nachgewiesen. Stattdessen schlägt er einen pauschalen Betrag je Leistungsberechtigten vor. Steigende Zahlen würden zu mehr Geld für das Jobcenter führen.
Linken-Politiker Matthias Birkwald fordert Zusammenlegung von Jobcentern
Birkwald fordert, kleinere Jobcenter zusammenzulegen. Dadurch können Verwaltungskosten eingespart werden und es gebe eine größere Flexibilität bei der Verteilung der Eingliederungs- und Verwaltungsmittel. Das Geld könne effizienter und auskömmlicher genutzt werden, argumentierte Birkwald in einer Frage.
Wenn die Träger der gemeinsamen Einrichtungen das vor Ort vereinbarten, sei die Zusammenlegung mehrerer Jobcenter möglich, ebenso die Wahrnehmungen von Aufgaben für andere Jobcenter, erklärte die Staatssekretärin in der Antwort. „Diese Entscheidungen sind dezentral von den betroffenen Trägern zu treffen.“ Die Bundesregierung habe keinen Einfluss.
Birkwald warnt vor Konsequenzen für Langzeitarbeitslose im Bürgergeld
„Die notwendigen Reformen und die Zusammenlegung kleinerer Jobcenter werden in Bayern und andernorts zudem auf der Landesebene verhindert, denn die Länder sind dafür zuständig“, kritisierte Birkwald. Er fordert die nächste Arbeits- und Sozialministerkonferenz auf, „den notwendigen Reformprozess unverzüglich im Interesse der betroffenen Langzeitarbeitslosen einzuleiten“.
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