Irland-Wahl: Hochrechnungen deuten schwierige Regierungsbildung an
Bei der Irland-Wahl dominieren Themen wie Migration und Wohnungsnot. Ersten Daten zufolge liegt Sinn Fein hauchdünn vorn. Der News-Ticker.
Das Wichtigste in
diesem News-Ticker
- Irland-Wahl: Hochrechnungen deuten schwierige Regierungsbildung an – Regierungsparteien Fine Gael und Fianna Fail erlangen jeweils 20,5 und 21,9 Prozent.
- Irland-Wahl: Linksnationalisten Sinn Fein liegen überraschend vorn – Eine Regierungsbeteiligung gilt jedoch als unwahrscheinlich.
- Irland-Wahl: Migration verschärft Wohnungsnot – Im November entlud sich die Wut mancher Iren in Form von Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte.
Update vom 1. Dezember, 8.53 Uhr: Bei der Irland-Wahl haben die Wahllokale bereits am späten Freitagabend geschlossen – doch bis ein Ergebnis feststeht, kann es dauern. Grund ist das irische Verhältniswahlsystem. Bei der Europawahl dauerte es eine Woche, bis alle Mandate vergeben waren.
Irland-Wahl: Hochrechnungen deuten schwierige Regierungsbildung an
Update vom 30. November, 22.34 Uhr: In Irland zeichnet sich nach der Parlamentswahl eine schwierige Regierungsbildung ab. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, deuten Hochrechnungen zwar auf einen erneuten Sieg der beiden großen Mitte-Rechts-Parteien hin. Um eine Regierung zu bilden, seien sie jedoch auf mindestens einen weiteren Koalitionspartner angewiesen. Laut aktueller Hochrechnungen erlangen die Regierungsparteien Fine Gael und Fianna Fail jeweils 20,5 und 21,9 Prozent.
Warum die Auszählung bei der Irland-Wahl lange dauern könnte
Update vom 30. November, 13.01 Uhr: Warum die Auszählung bei der Irland-Wahl lange dauern könnte: Das irische Verhältniswahlsystem sieht vor, dass Wählerinnen und Wähler in der Reihenfolge ihrer Präferenz mit „1“, „2“, „3“ und so weiter abstimmen, mit einer einzigen übertragbaren Stimme. Man kann also nach dem Ankreuzen der ersten Wahl aufhören oder so vielen Kandidaten auf dem Wahlzettel eine sogenannte Vorzugsstimme geben, wie man möchte.
Wenn mehr als eine Vorzugsstimme abgegeben wird, weiß der Wahlleiter, dass diese Stimme auf den Kandidaten der zweiten Wahl übertragen werden soll, falls der bevorzugte Kandidat ausscheidet oder mit einem Überhang an Stimmen gewählt wird. Bei der Europawahl dauerte es eine Woche, bis alle Mandate vergeben waren.
Irland-Wahl: Linksnationalisten Sinn Fein liegen überraschend vorn
Update vom 30. November, 6.23 Uhr: Bei der Irland-Wahl liegen die drei größten Parteien bei einer ersten Schätzung zufolge fast auf Augenhöhe. Eine „Exit Poll“ mehrerer Medien und Institute auf Grundlage von Nachwahlbefragungen sieht die links-nationale Oppositionspartei Sinn Féin mit 21,1 Prozent hauchdünn in Front.
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Dahinter folgen die bisherigen Koalitionspartner Fine Gael von Regierungschef Simon Harris mit 21 Prozent und Fianna Fáil von Vizepremier Micheál Martin mit 19,5 Prozent. Die beiden Mitte-Rechts-Parteien regieren seit 2020 in einer historischen Koalition gemeinsam mit den Grünen, die in der „Exit Poll“ auf 4 Prozent kamen.
Das Ergebnis ist allerdings mit Vorsicht zu bewerten. Es wurden nämlich nur die ersten Präferenzen der Wählerinnen und Wähler abgefragt. Nicht berücksichtigt wurde, dass im komplizierten irischen Verhältniswahlrecht Stimmen übertragen werden können. Die Auszählung beginnt am Samstagvormittag. Das tatsächliche Resultat in dem EU-Mitgliedstaat wird nicht vor Sonntagabend erwartet. Es kann auch deutlich später werden.
Trotz Führung bei Irland-Wahl: Sinn Fein hat schweren Stand – und wird wohl nicht mitregieren
Sinn Féin liegt zwar knapp vorn, dürfte aber kaum mitregieren. Fianna Fail und Fine Gael hatten eine Zusammenarbeit mit der Partei, die vehement für eine irische Wiedervereinigung eintritt und früher als politischer Arm der Terrorgruppe IRA galt, vor der Wahl ausgeschlossen.
Knapp 3,7 Millionen Menschen waren aufgerufen, insgesamt 174 Abgeordnete zu wählen. Wichtigste Themen bei der Wahl sind soziale Probleme wie Wohnungsnot. Viele junge Leute können sich trotz Jobs keine Unterkunft leisten und wohnen weiter bei ihren Eltern. Zuletzt nahmen Vorwürfe von Rechtspopulisten zu, der Zuzug von Migrantinnen und Migranten verknappe den Wohnraum weiter.
Irland-Wahl: Regierungspartei liegt in Umfragen zurück
Erstmeldung: Dublin – Irland gehört zu den wenigen EU-Staaten, in denen sich keine rechtsextreme Partei etabliert hat und die einen Haushaltsüberschuss haben. Dennoch zählen im Vorfeld der Irland-Wahl am Freitag (29. November) die Eindämmung der Migration und die hohen Lebenshaltungskosten zu den zentralen Themen. Die konservative Partei Fine Gael von Premierminister Simon Harris fiel zuletzt in Umfragen zur Irland-Wahl zurück, ihr konservativer Koalitionspartner Fianna Fail sowie die linksnationalistische Sinn Fein gingen demnach knapp in Führung.
Knappes Rennen bei Irland-Wahl: Fine Gael schwächelt plötzlich – Chance für Sinn Fein
Anfang des Monats hatte Fine Gael noch als Favorit bei der Irland-Wahl gegolten, doch die Regierungspartei verlor nach einer Reihe von Pannen und Fehltritten an Rückhalt. So tauchte vorige Woche in Online-Netzwerken ein Video auf, in dem Harris einer schimpfenden Sozialarbeiterin brüsk den Rücken zukehrte und sie einfach stehen ließ. Der Clip wurde millionenfach aufgerufen, Harris entschuldigte sich einen Tag später öffentlich bei der Betroffenen.
Die Klage der Sozialarbeiterin ist nicht die einzige Kritik, die Harris sich anhören muss. Unter den Iren wächst der Unmut über die Einwanderungspolitik, sodass diese erstmals zu den großen Wahlkampfthemen in Irland gehört.
Starke Wirtschaft zieht Einwanderer an – Rechte können vor Irland-Wahl kaum profitieren
Der Dubliner Anwalt Malachy Steenson ist einer von einer Reihe von ultranationalistischen Politikern, die dieses Jahr bei Kommunalwahlen gut abschnitten und nun auf einen Einzug ins irische Parlament hoffen. An seiner als Wahlkampfzentrale fungierenden Anwaltskanzlei prangt der Slogan „Die Kontrolle über unser Land zurückgewinnen“. „Wir müssen die Grenzen schließen und verhindern, dass noch mehr Migranten ins Land kommen“, sagt Steenson, der als unabhängiger Kandidat zur Irland-Wahl antritt.
Irlands boomende Wirtschaft, die dem Land den Beinamen „Keltischer Tiger“ bescherte, zieht bereits seit den 1990er Jahren zahlreiche Einwanderer an. Laut offizieller Statistik wurden etwa 20 Prozent der 5,4 Millionen in Irland lebenden Menschen im Ausland geboren.
Wegen des Ukraine-Kriegs nahm Irland etwa 110.000 Ukrainerinnen und Ukrainer auf und gehört damit zu den wichtigsten Aufnahmeländern EU-weit. Doch mittlerweile bereitet die steigende Migrantenzahl dem EU-Land zunehmend Probleme. Seit 2022 ist die Zahl der Asylanträge in Irland auf Rekordstand.
Irland-Wahl: Migration verschärft Wohnungsnot
In der Folge verkündete die Regierung 2023 – noch weit vor der Irland-Wahl – sie könne nicht mehr genügend Notunterkünfte für alle Schutzsuchenden bereitstellen; Familien, Frauen und Kinder bekamen Vorrang. In der Folge campierten hunderte männliche Asylsuchende auf den Straßen.
Die Wut mancher Iren entlud sich in Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte sowie Krawallen im November 2023 infolge des Messerangriffs eines Iren mit ausländischen Wurzeln auf Kinder. Die Kritik an der Aufnahme von Geflüchteten nimmt auch deshalb zu, weil Irland ohnehin unter Wohnungsnot und sehr hohen Mieten leidet. Auch sonst haben die Lebenshaltungskosten angezogen.
Aus der Unzufriedenheit kann die extreme Rechte im Land aber nur bedingt Profit schlagen, denn sie ist zersplittert. Auch bei der bevorstehenden Parlamentswahl ist kein Durchbruch der ultranationalistischen Kleinstparteien und unabhängigen rechtsextremen Kandidaten zu erwarten, wie der Politikwissenschaftler Eoin O‘Malley sagt. Ihr Stimmenzuwachs dürfte sich dem Experten zufolge auch deshalb in Grenzen halten, weil die meisten etablierten Parteien mittlerweile einen restriktiveren Kurs bei der Einwanderungspolitik vertreten.
Trump sorgt vor Irland-Wahl vor Kopfschmerzen: Angst um Konzernsitze
Kopfzerbrechen bereitet den irischen Parteien auch der bevorstehende Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident. Wenn Trump wie angekündigt die Zölle auf ausländische Produkte erhöht, träfe dies Irland besonders hart. „Irland verkauft mehr Güter pro Kopf an die USA als jedes andere europäische Land oder sogar Mexiko und Kanada“, sagt der Chef-Ökonom des Institute of International and European Affairs in Dublin, Dan O‘Brien.
Außerdem muss Irland befürchten, dass Weltkonzerne wie Apple, Google und Meta ihre europäischen Konzernsitze in Dublin verkleinern oder dicht machen, wenn Trump die Unternehmenssteuer in den USA von 21 Prozent auf den in Irland geltenden Satz von 15 Prozent senkt.
Für Verwerfungen könnte nach der Irland-Wahl außerdem die Debatte über Irlands nationale Identität sorgen. Sinn-Fein-Chefin Mary Lou McDonald, deren Partei aus dem politischen Flügel der paramilitärischen Untergrundorganisation IRA hervorgegangen ist, hat für den Fall ihres Wahlsiegs angekündigt, bis 2030 eine Volksabstimmung über eine Vereinigung mit der britischen Provinz Nordirland abzuhalten. (nak/AFP)
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