Berlin – Einst sang Marlene Dietrich: „Solang noch Untern Linden die alten Bäume blüh‘n, kann nichts uns überwinden, Berlin bleibt doch Berlin!“
Dieses Lied hätte die Dietrich heute sicherlich nicht mehr auf den Lippen, denn die alten Bäume Unter den Linden blühen schon lange nicht mehr.
Vor knapp 13 Jahren, im Februar 2012, wurden sie gefällt. 54 alte Linden fielen dem Bau der U-Bahnlinie 5 zum Opfer, die vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor verlängert wurde.
Im Herbst 2020 wurden die Bauarbeiten beendet, die Linden sollten nun nachgepflanzt werden, so war es versprochen worden. Doch bis heute wurde kein einziger Baum gesetzt.
Und schlimmer noch: Im Abschnitt zwischen Friedrich- und Charlottenstraße schlug das Bezirksamt Mitte dort, wo einst die Bäume am Straßenrand standen, Pflöcke ein, an denen grell orangene Mülleimer der Stadtreinigung baumeln.
Mülleimer statt Linden – soll das der neue Prachtboulevard sein? Nein, schrieb mir das Bezirksamt Mitte auf Anfrage vor genau einem Jahr, „bis zur Pflanzung der Bäume werden die nicht genutzten Baumscheiben temporär für Mülleimer genutzt. Sobald dort Bäume gepflanzt werden, werden diese Einbauten einen anderen Platz finden.“
Die Bäume werden aber erst gepflanzt, wenn die Mittelpromenade neu gestaltet worden ist. Der Senat will den Mittelstreifen zwischen Brandenburger Tor und Staatsoper „gestalterisch und ökologisch aufwerten“, um die „Aufenthaltsqualität und die Verkehrssicherheit zu erhöhen“. Die Beete zwischen den Bäumen sollen eingefasst und mit Stauden bepflanzt werden. Insgesamt sollen schließlich 172 neue Linden stehen.
Die zuständige Senatsverkehrsverwaltung erklärte uns dazu am Dienstag: „Unter ökologischen, nachhaltigen und ästhetischen Gesichtspunkten ist es sinnvoll, die Nachpflanzungen im Zusammenhang mit der Herstellung der gesamten Mittelpromenade durchzuführen.“
Hört sich gut an, wann geht es denn los? Jetzt kommt die typische Berliner Verwaltungsantwort: „Der Beginn der Bautätigkeit ist für 2025/26 avisiert.“ Genauso gut hätte die Verkehrsverwaltung auch schreiben können: „Nichts Genaues weiß man nicht.“
Gar keine Auskunft gibt es übrigens darüber, wann die „Bautätigkeit“ Unter den Linden, die „für 2025/26 avisiert“ ist, denn abgeschlossen sein könnte. Erst dann können ja die neuen Linden gepflanzt werden.Ende offen, alles offen – wie immer in Berlin. Nach den Erfahrungen, die wir hier alle mit Großbaustellen machen, dürfte der Umbau der Mittelpromenade Unter den Linden drei Jahre dauern, dann wären sie 2028 oder 2029 beendet.
Dann erst könnten die neuen Linden gepflanzt werden, also acht oder neun Jahre nach dem Ende der U-Bahnbaustelle und 16 oder 17 Jahre, nachdem die alten Linden gefällt wurden.
17 Jahre ohne Linden Unter den Linden? Das hätte Marlene nicht verstanden. Sie sang in dem besagten Lied: „Wenn keiner treu Dir bliebe, ich bleib Dir ewig grün, du meine alte Liebe, Berlin bleibt doch Berlin!“
Sie hat recht, wir lieben unsere Stadt bedingungslos. Dass es aber so hässlich bleibt Unter den Linden, das hat Berlin wirklich nicht verdient. Das ist eine Unverschämtheit.
Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de