Führende Oppositionspolitiker werden zu Haftstrafen verurteilt, doch der proeuropäische Protest in Georgien geht weiter. Vor dem Parlament in Tiflis geht die Polizei erneut hart gegen Demonstranten vor. Deutschland, Frankreich und Polen erwägen Sanktionen.
In Georgien haben sich den neunten Abend in Folge Tausende Menschen versammelt, um für einen EU-Kurs ihres Landes zu demonstrieren. Dabei kam es erneut zu schweren Ausschreitungen. Vor dem Parlament in der Hauptstadt Tiflis setzte die Polizei erneut Tränengas und Wasserwerfer ein, um die Versammlung aufzulösen, es gab mehrere Festnahmen. Demonstranten hatten das Parlamentsgebäude mit Feuerwerkskörpern beschossen. Deutschland, Frankreich und Polen verurteilten das Vorgehen der Behörden gegen die Protestteilnehmer.
Stunden zuvor waren zwei führende Oppositionspolitiker wegen ihrer Teilnahme an den Protesten zu Haftstrafen verurteilt worden. Der Chef der größten Oppositionspartei „Koalition für den Wandel”, Nika Gvaramia, soll zwölf Monate wegen Rowdytums und wegen Missachtung der Polizei ins Gefängnis. Der Oppositionelle Aleko Elisashvili von der Partei Starkes Georgien wurde zu einer zweimonatigen Untersuchungshaft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte ihn, einen Politiker der regierenden Partei Georgischer Traum angegriffen zu haben. Elisashvili bestritt die Vorwürfe.
Nach Berichten lokaler Medien wurden in den vergangenen Tagen weitere acht Aktivisten der Opposition am Freitag wegen Delikten im Zusammenhang mit „Bandengewalt” angeklagt. Dies kann mit Haftstrafen von bis zu neun Jahren geahndet werden.
Regierungschef spricht von „liberalem Faschismus”
Die proeuropäischen Proteste, die in der vergangenen Woche begonnen hatten, richten sich insbesondere gegen den von Regierungschef Irakli Kobachidse angekündigten Aufschub der EU-Beitrittsverhandlungen des Kaukasusstaats bis 2028. Kritiker sehen darin eine Bestätigung einer von Russland beeinflussten Abkehr von einer prowestlichen Politik. Die Regierungspartei Georgischer Traum bestreitet das.
Deutschland, Frankreich und Polen verurteilten das Vorgehen der georgischen Regierung und fassen Sanktionen ins Auge. Die drei Staaten kündigten an, das Thema Georgien auf dem nächsten Außenminister-Treffen der Europäischen Union zu thematisieren, um mögliche Maßnahmen gegen Georgien zu ergreifen. Die von den georgischen Behörden ergriffenen Maßnahmen führten zur Instabilität des Landes, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der drei EU-Länder. Sie prangerten zudem die Gewalt gegen Oppositionelle und Journalisten an, wie es in einer gemeinsamen Erklärung hieß.
Regierungschef Kobachidse lobte die Sicherheitskräfte hingegen dafür, die „Gewaltbereitschaft der Demonstranten erfolgreich neutralisiert” zu haben. „Wir haben eine wichtige Schlacht gegen den liberalen Faschismus in unserem Land gewonnen”, hatte er am Donnerstag auf einer Pressekonferenz und nutzte damit eine Sprache, die daran erinnert, wie der Kreml seine politischen Gegner ins Visier nimmt.
Der „Kampf” sei jedoch bisher nicht vorbei, fuhr Kobachidse fort. „Der liberale Faschismus in Georgien muss vollständig besiegt werden und die Arbeit an diesem Ziel wird fortgesetzt”, sagte er.