Erding: Das Wasser ist Walter Rauschers Element
Walter Rauscher hat tausenden Erdingern das Schwimmen beigebracht. Der heute 78-Jährige engagiert sich seit Jahrzehnten in seiner Heimatstadt. Für ihn eine Verpflichtung.
Sein Leben spielt sich seit frühester Jugend in und am Wasser ab. Aufgewachsen unweit des alten Schwimmbads am Erdinger Stadtpark, trat Walter Rauscher schon früh in die Wasserwacht ein, absolvierte zahlreiche Fortbildungen und leistet bis heute Wachdienst am Kronthaler Weiher. Wie er daneben noch Zeit fand für Erste-Hilfe-Kurse beim BRK, den Vorsitz des Kriegervereins, den Stadtrat und weitere Ehrenämter, berichtet der 78-Jährige im Gespräch.
Der kleine Walter kommt am 23. Juni 1946 in Erding als zweiter Sohn von Katharina und Alfred Rauscher zur Welt. Er wächst mit den Geschwistern Alfred, Helmut und Christina an der Münchener Straße auf, direkt gegenüber dem Finanzamt, wo sein Vater als Finanzbeamter tätig ist.
Walter Rauscher besucht die Volksschule am Grünen Markt, „Singen und Sport 1“, erzählt er lachend. Er sei christlich erzogen worden, freiwillig in die Kirche gegangen und einige Jahre als Ministrant bei Pater Alois in Heilig Blut aktiv gewesen.
„Taucherfangsti“ gut für die Kondition
Hauptattraktion im Sommer war für ihn und seine Freunde das alte Schwimmbad am Stadtpark, das er stets über die Dall’Armi-Straße ansteuerte. Dort wohnten nach dem Krieg die amerikanischen Offiziere, weshalb die Straße von Soldaten bewacht wurde. „Da hatten wir großen Respekt, vor allem vor den farbigen Soldaten“, erinnert sich Rauscher.
Den ganzen Sommer über hielt er sich im Schwimmbad auf – egal, wie das Wetter war. Das Wasser aus der Sempt, das über einen Vorwärmer ins Schwimmbecken floss, war trotzdem zapfig kalt. „Zum Aufwärmen legten wir uns dann auf den heißen Teer.“ Bestes Konditionstraining mit jeder Menge Spaß sei das Spiel „Taucherfangsti“ gewesen, das nur bei trübem Wasser gespielt wurde.
Nachbar Sepp Seibold ist zu der Zeit Kreisvorsitzender der Wasserwacht und wirbt den Zwölfjährigen an. Da zum Eintritt ein Mindestalter von 13 Jahren vorgeschrieben ist, gilt der Mitgliedsausweis offiziell erst ab Juni 1959. Da hatte der Jung-Wasserwachtler schon den Grundschein absolviert und darf mit zum Wachdienst an den Thenner Weiher.
„Da haben wir dann schon bald den ersten Toten rausgezogen“, erinnert sich Rauscher. Belastet habe ihn das aber nicht. „Man ist da so konzentriert wie eine Maschine, da denkt man an nichts anderes.“ Zudem helfe der Zusammenhalt im Team, in dem man solche Erlebnisse auch aufarbeiten könne.
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Schicksalsschlag im Jahr 2013
Dramatische Einsätze hat der Wasserwachtler viele durchzustehen. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm der Unimog mit fünf jungen Leuten, der im Marzlinger Weiher versank. Trotz aller Rettungsbemühungen haben die Insassen nicht überlebten.
Mit 18 Jahren darf Rauscher als Rettungssanitäter eingesetzt werden, später auch als Notarztfahrer. Da habe er viel Schlimmes gesehen: „Das muss man als Berufung sehen, sonst ist es schwer zu verarbeiten.“
Positiver ist sein Einstieg als Schwimmlehrer – auch mit 18. Dass er diese Ausbildung 60 Jahre lang übernehmen wird, konnte der junge Bursche nicht ahnen. „50 bis 100 Kinder habe ich jedes Jahr unterrichtet“, sagt Rauscher stolz. So wird er heute noch in der Stadt von früheren Schülern mit einem lockeren „Servus Walter“ begrüßt.
Als mit 14 Jahren die berufliche Orientierung ansteht, entscheidet er sich für eine Ausbildung zum Flugzeugmechaniker im Fliegerhorst. Genau das Richtige für den technikbegeisterten Burschen, der schon seit seiner Kindheit gerne gebastelt hat.
Nach der Ausbildung tritt er der Bundeswehr bei, kann aber nach der Grundausbildung weiter in der Flugzeug-Instandhaltung arbeiten und dort seine Meisterprüfung machen. Insgesamt 15 Jahre bleibt Rauscher der Bundeswehr erhalten, absolviert zahlreiche Lehrgänge und Zusatzausbildungen und tritt als Hallenchef in Halle 7 ins zivile Leben zurück.
Mit Ende 30 heißt es wieder Lernen, denn der Ex-Soldat will in den kaufmännischen Bereich wechseln. Er macht eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Sparkasse Erding, arbeitet am Schalter und im Außendienst – und schließt eine Fortbildung zum Immobilienfachmann an. So war er qualifiziert für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken und auch für die Erstellung von Gutachten.
Auch in dieser Zeit der Neuorientierung findet Walter Rauscher Zeit für seine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Neben den laufenden Schwimmkursen organisiert er mit dem Kreisjugendring ein Zeltlager an der Isar mit 300 Kindern, hält Erste-Hilfe-Kurse beim BRK ab und leistet Wachdienste im Schwimmbad sowie am Thenner See und Notzinger Weiher. Der passionierte Wasserwachtler erwirbt zahlreiche Zusatzscheine für Motorbootfahrer, Leinenführer und Taucher.
Bei einem Schwimmkurs für Erwachsene findet der Schwimmlehrer auch seine große Liebe Marlene. Nach der Hochzeit kommen die Kinder Walter (1977), Katrin (1980) und Sabine (1984) zur Welt, daneben hat der Familienvater noch Tochter Petra aus erster Ehe.
Wie der Papa lieben auch die Kinder das nasse Element und sind schon bald bei der Wasserwacht aktiv. Tochter Katrin erwirbt sogar den Schwimmausbilderschein und unterstützt den Vater bei den Kursen. „Sie war ja Lehrerin und konnte es wunderbar mit den Kindern“, erinnert sich Rauscher.
Doch das Schicksal hält eine schwere Prüfung bereit, denn Katrin erkrankt mit nur 28 Jahren an Krebs. Fünf Jahre kämpft und hofft sie gemeinsam mit der Familie. Schließlich wird die junge Frau im Dezember 2013 mit 33 Jahren von ihren Schmerzen erlöst.
„Wir haben sie bis zum Schluss daheim gepflegt“, sagt Walter Rauscher. Er weiß, dass ihm die Ablenkung und Aktivitäten in seinen Vereinen bei der Bewältigung sehr geholfen haben. Mittlerweile halten die vier Enkel Tamara (29), Phillip (14), Noah (5) und Lena (3) die Großeltern auf Trab.
Auch politisch engagiert sich Walter Rauscher. Mit einer kurzen Unterbrechung sitzt er seit 1972 für die CSU im Stadtrat, war dort schon Kindergartenreferent und zuletzt Inklusionsreferent. Die Inklusion liegt ihm am Herzen. Eines seiner bewegendsten Erlebnisse in den unzähligen Schwimmkursen war der Moment, als eine querschnittgelähmte Frau mit über 80 Jahren bei ihm das Rückenschwimmen erlernt hat. „Sie hat geweint, weil es so schön war für sie im Wasser“, erzählt Rauscher gerührt.
War sein Weg zur Wasserwacht anfangs eher Zufall, so habe ihm nichts Besseres passieren können. Walter Rauscher schätzt dort den großen Zusammenhalt und die tolle Kameradschaft. Jung und Alt fänden über gleiche Interessen zusammen. Dazu habe er dort seine besten Freunde gefunden, sagt er – und ist Gattin Marlene dankbar, dass sie über die ganzen Jahre hinweg seine vereinsbedingten Abwesenheiten akzeptiert hat. „Sonst wäre das nicht gegangen.“
Für sein mannigfaltiges Engagement ist der Erdinger vielfach geehrt worden. 2013 hat er das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. Mindestens ebenso wichtig ist ihm die Plakette, die ihn als Ehrenmitglied der Wasserwacht Bayern ausweist. Völlig überrascht wurde Walter Rauscher von dieser Auszeichnung vor fünf Jahren bei einem Wasserwachtfest, auf das er gerne zurückblickt.
Dass der viel beschäftigte Rentner vor elf Jahren auch noch den Vorsitz des Krieger- und Veteranenvereins Erding übernahm, ist einem dringenden Appell von Adi Voichtleitner zu verdanken. Er bat Rauschers Gattin Marlene um Intervention, damit ihr Gatte sich als Vorsitzender zur Wahl stellt und damit den Verein vor der Auflösung bewahrt. „Das mache ich noch zusätzlich“, sagt Rauscher gelassen und organisiert Stammtische, Ausflüge und Fahnenabordnungen bei Todesfällen.
Wichtig: Familiärer Zusammenhalt
Trotz aller Verpflichtungen ist Walter Rauscher der familiäre Zusammenhalt wichtig. Ein gutes Verhältnis herrscht zwischen den Geschwistern, man geht zusammen kegeln, feiert Geburtstage oder spielt online Schafkopf.
Ans Wasser zieht es die Rauschers auch im Urlaub – früher nach Bibbione in Italien, in den letzten Jahren ans Rote Meer in Ägypten, wo es sich wunderbar tauchen und schnorcheln lässt.
Auch der Kronthaler Weiher wird täglich aufgesucht, denn dorthin führt die Gassi-Runde mit Familienhund Finley. Der 14-jährige Golden Doodle ist ein Vermächtnis von Tochter Katrin, den Walter Rauscher trotz Hundeallergie betreut, denn Finley haart nicht. Der Vierbeiner ist als Mantrailer-Suchhund ausgebildet und kann eine eigene Trophäe vorweisen – für den Sieg bei einem Hunderennen in Großköchlham.
Obwohl Walter Rauscher ausschaut, als hätte er die ewige Jugend gepachtet, geht auch an ihm das Alter nicht spurlos vorbei. Nach einem Herzinfarkt vor zehn Jahren hat er einige Stents und muss aufs geliebte Tauchen verzichten, dafür gibt es die Alternative Schnorcheln. Ein bestehendes Aorten-Aneurysma muss beobachtet werden, weshalb er nicht mehr als zehn Kilogramm heben darf.
Seine Schwimmkurse will Walter Rauscher weitermachen, so lange es geht, denn „das ist gesund und macht mir Spaß“. Seine Motivation erklärt er mit seiner Verwurzelung: „Ich bin Erdinger und fühle mich verpflichtet, für meine Heimatstadt das Beste zu machen, was ich kann.“
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