Eine Breze, die die Welt erobert
Die Familie Piller aus Karlsfeld macht seit 70 Jahren Brezen, die sogar die USA und Brasilien erobert haben.
Karlsfeld – Als Franz Piller vor 70 Jahren in einer Wohnsiedlung in Karlsfeld seine Backstube, ein unscheinbares Häuschen, in der Ballaufstraße eröffnete, ahnte noch niemand, dass seine Teigwaren einmal weltberühmt werden. Genauer gesagt Pillers Brezen. Diese sind heute von keinem Volksfest in der Umgebung wegzudenken. Auch nicht vom größten und bekanntesten, dem Münchner Oktoberfest. Dort gibt es Piller-Brezen bereits seit mehr als 50 Jahren. Sie sind Kulturgut und weit über den sogenannten Weißwurstäquator hinaus bekannt. Bis nach Amerika, Afrika und Australien wurden die Brezen schon verschifft.
Der Mann, der hinter all dem steckt, ist Franz Pillers Sohn Oswald. Der Pretzl-President, wie er in den USA genannt wurde. Der beliebte Karlsfelder kann leider nicht mehr selbst davon erzählen, wie seine Breze die Welt eroberte. Er ist vor sieben Jahren völlig unerwartet gestorben. Er war gerade einmal 61 Jahre alt. Doch seine Familie, Ehefrau Gabi (62) und die vier Kinder Diana (42), Franz (39), Ines und Robert (beide 27) Piller, erzählen heute seine Geschichte.
„Er hatte eine Leidenschaft für die Breze. Darauf hat er sich spezialisiert, weil eine Breze so viel Liebe und so viel Handwerkskunst braucht“, sagt Ines Piller. Ihr Vater konzentrierte sich aber nicht bloß darauf, den Geschmack der Breze zu perfektionieren, sondern auch den Herstellungsprozess. Er erfand den ersten automatischen Brezen-Roboter, seine Brezenschlingmaschine. Ein von ihm Mitte der 1990er Jahre eigens entwickeltes Gerät, das es ihm ermöglichte, tausende, statt hunderte Brezen in der Stunde zu drehen.
Sein Sohn Franz kann sich noch gut an die Anfänge erinnern. „Der Prototyp war ein Besenstil mit zwei angeschraubten Wäscheklammern.“ Am Anfang sei Oswald für sein Vorhaben noch belächelt worden, erinnert sich Ehefrau Gabi Piller. Ein Bäcker, der einen Roboter erfindet? Das kann nicht sein, dachten viele. Manche, denen er seine Pläne präsentierte, hielten ihn gar für einen Maschinenbauer und keinen Bäcker, erzählt Tochter Diana. Ihr Vater war eben weit mehr als ein begnadeter Bäckermeister, sondern ebenso ein Tüftler. Ein Erfinder. Er entwickelte auch ein System, das es ihm ermöglichte, seine Brezen bis ans Ende der Welt zu liefern. Mithilfe einer Bekannten, die in die USA auswanderte, brachte Oswald Piller seine Wiesn-Brezen in die Vereinigten Staaten von Amerika.
In den Vereinigten Staaten ist er eine kleine Berühmtheit. Im Hofbräuhaus in Las Vegas durfte Oswald Piller mehrere Stunden lang Autogramme geben. Wirklich wohl habe sich der Karlsfelder dabei allerdings nicht gefühlt. „Er wollte nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen. Der Trubel um seine Breze hat ihm mehr gefallen als der Trubel um seine Person“, erzählt Franz Piller.
Pillers Breze erfuhr auch in Brasilien große Aufmerksamkeit. Zu einem dortigen Oktoberfest ließen die Veranstalter Oswald Piller sogar einfliegen. Er sollte als Juror für die Miss-Pretzl-Wahl fungieren. „Da haben ihn zwei Models vom Flughafen abgeholt, das hat er immer ganz stolz erzählt“, erinnert sich Robert Piller und lacht.
Er und seine Geschwister sind sehr stolz auf das, was ihr Großvater und ihr Vater aufgebaut haben: Unter Opa Franz kam die Breze auf die Wiesn, damals noch mit VW-Bussen. Unter Papa Oswald bekamen die Pillers dann auf dem Oktoberfest das erste eigene Brezen-Backzelt.
Auf dem Oktoberfest erlebten die Pillers viele schöne Momente. Zum Beispiel als ein ehemaliger Karlsfelder, ein älterer, erblindeter Herr, die Wiesn dieses Jahr aus Sehnsucht nach einer Piller-Breze besuchte. „Er hat gehört, dass wir vor Ort die Brezen gebacken haben. Er war dann voll aus dem Häuschen und meinte, er habe die ganze Theresienwiese abgesucht, bis er das Piller-Zelt gefunden hat“, erzählt Ines Piller und schmunzelt. Der Herr hatte Erfolg, er traf die Pillers tatsächlich und schwärmte von früher, vor 50 Jahren, als die Pillers ihre Teigwaren in Karlsfeld noch über die Brezenrampe, eine Art Drive-In, verkauften. Der Geschmack der Breze habe sich seitdem nicht verändert, lobte er die Backkunst. Für die Pillers ist das eine große Anerkennung. „Das war schon eine Ehre, dass durch unsere Brezen so schöne Erinnerungen bei den Menschen aufblühen“, sagt Ines Piller.
Weil so viele Menschen aus ganz Deutschland, aber auch aus Österreich und Italien während der Coronakrise die Wiesn-Brezen vermissten, schickten die Pillers sie ihnen nach Hause.
Für die Familie Piller ist die Breze weit mehr als nur ein Lebensmittel für den schnellen Hunger. Sie ist etwas Geselliges, etwas, das man miteinander teilt. Besonders die große Breze, für die die Pillers bekannt sind. Diane Piller findet: „Die Breze verbindet Menschen.“ Nicht bloß in Bayern, sondern auch über Ländergrenzen hinweg.
Familienunternehmen
Franz und Anna Piller waren Kriegsflüchtlinge aus dem Sudetenland. Sie kamen nach Karlsfeld und eröffneten vor 70 Jahren eine Bäckerei. Heute ist die Bäckerei immer noch in Familienhand. Ines und Diana Piller organisieren das Büro. Ihre Brüder Robert und Franz, beide Bäckermeister und Betriebswirte, kümmern sich um die Produktion. Hauptsächlich von Brezen, aber bei den Pillers gibt es auch Semmeln, Brot und süße Teilchen. Mutter Gabi kümmert sich um den Laden. Das Unternehmen hat 18 Mitarbeiter. Während der Wiesn sind es sogar dreimal so viele. Auf dem Oktoberfest backen die Pillers täglich 50 000 Brezen.
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