Die Außenwirkung der Ampel ist kaum zu unterbieten
Ein Aus der Ampel wäre eine Erleichterung für alle Beteiligten – aber gefährlich. Ein vorzeitiger Bruch der Regierungskoalition würde BSW und AfD noch stärker machen. Der Leitartikel.
Wäre das Land wie der Stoppelmarkt in Vechta, flögen dem Bundeskanzler nun die Herzen zu. Beim traditionsreichen Volksfest in Niedersachsen gab es Applaus im Stehen für den Gastredner Olaf Scholz, der trotz der Krise in seiner Koalition überraschend humorvoll und versöhnlich auftrat und Zuversicht ausstrahlte. Es stimmt ja auch, dass seine Regierung die Schlussphase der Corona-Pandemie gut bewältigt und das Land bisher sicher durch die dramatischen Auswirkungen von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine manövriert hat. Letzteres war und ist die größte akute Herausforderung für eine Bundesregierung seit Jahrzehnten.
Nur ist das Land kein Bierzelt und der Kanzler hat schon lange nicht mehr die Deutungshoheit. Er gibt auch nicht mehr den Ton in seiner Regierung an. Dieser Kanzler hält nur noch mit größter Kraftanstrengung ein Dreierbündnis zusammen, das in Wahrheit nichts mehr verbindet.
Scholz wird aus Schaden nicht klug. Es war fahrlässig, die Last-Minute-Haushaltseinigung samt 12-Milliarden-Euro-Lücke am Freitag mit einer technokratischen Pressemitteilung abzuhandeln und über das Wochenende hinweg Interpretationen freien Lauf zu lassen. Herausgekommen sind das fatale Signal, dass die Koalition auf Geheiß von Finanzminister Christian Lindner der Ukraine erst einmal den Geldhahn zudrehen wolle, sowie die darauf folgende Versicherung der Regierung am Montag, das Wort von Scholz gelte weiterhin. Die Ukraine bekomme deutsche Unterstützung, solange das nötig sei.
Inzwischen hat Kiew öffentlich an Deutschland gezweifelt, halb Europa die eigenen Ukraine-Hilfen kritisch überschlagen, Moskau frohlockt und die Ampelkoalition sich weiter ins Aus geredet.
FDP-Chef Lindner treibt SPD und Grüne mit seinem Beharren auf der Schuldenbremse vor sich her. Dem dient auch sein Brief an Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), sie mögen doch bitte sicherstellen, dass neue Ukraine-Maßnahmen nur bei gesicherter Finanzierung gewährt werden dürften.
Nicht nur Lindners Übergriffigkeit ist bemerkenswert, sondern auch das Stillhalten von Kanzler Scholz. Denn für SPD und Grüne ist klar, dass die Schuldenbremse ausgesetzt wird, wenn im Sinne der Notlage der Ukraine geholfen werden muss.
Ginge es nach Lindner, müsste Kiew aber wohl leider eher russisch werden, als Nachschub an Militärgerät aus Deutschland zu bekommen. Das riecht nicht nur nach Verrat an der Ukraine, sondern auch nach Verrat an der Demokratie in Europa. Interessant ist übrigens, dass die Etats aller vier FDP-geführten Bundesministerien im kommenden Jahr steigen werden. Keine und keiner in Lindners Team muss nach dem jetzigen Entwurf sparen.
Man kann diese Koalition nicht kleiner machen, als es der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour aus Ärger getan hat. Dass die Union ihre Oppositionszeit als nötigen Übergang zwischen 16 Jahren Angela Merkel im Kanzleramt und einem neuen Anlauf zur Machtübernahme rechtfertigt, kann man vielleicht noch nachvollziehen. Dass aber eine Regierungspartei aus der selbst ernannten „Fortschrittskoalition“ nun eine „Übergangskoalition nach der Ära Merkel“ macht, ist kaum zu unterbieten.
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Was soll Nouripours Bemerkung bedeuten? Die Ampel hält die Stellung, bis sich die Union berappelt hat? Und: Wie lange dauert so ein Übergang? Die volle Legislaturperiode oder nur noch bis September, wenn die Ampelparteien in Sachsen, Thüringen und Brandenburg die Quittung bekommen?
Von dieser Ampelkoalition ist bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2025 nichts mehr zu erwarten. Ein vorzeitiger Bruch wäre höchstens das berühmte Ende mit Schrecken. Doch das Erstarken von BSW und AfD ist der Schrecken ohne Ende. Und dazu trägt die Ampel gerade bei.
Bericht S. 5
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