Der Fall Gelbhaar – Grüne bemühen sich um schnelle Aufklärung
Die Vorgänge rund um den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar werfen immer größere Schatten auf den Bundestagswahlkampf. Gab es eine interne Intrige und was wusste die Parteispitze? Die Partei verspricht eine lückenlose Aufklärung.
Die Grünen wollen nach mutmaßlich erfundenen Belästigungsvorwürfen gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar das innerparteiliche Verfahren dazu neu aufrollen. Das kündigten die Bundesvorsitzenden der Partei, Felix Banaszak und Franziska Brantner am Montag in Berlin an. Der Parteivorstand beschloss zudem eine Strafanzeige gegen die bisherige Grünen-Politikerin, die Gelbhaar offensichtlich zu Unrecht belastet hatte. Banaszak und Brantner wiesen aber auch darauf hin, dass es weiterhin Vorwürfe anderer Frauen gegen Gelbhaar gibt.
Grünen-Parteispitze forciert schnelle Klärung in der Affäre Gelbhaar
„Wir sind davon auch persönlich betroffen und erschüttert”, sagte Banaszak zu den mutmaßlichen Falschaussagen der betreffenden Person. „Ein solches Verhalten, das von krimineller Energie und Niedertracht geprägt ist, hat in unserer Partei keinen Platz”, stellte er weiter klar. Welche Motive dazu geführt hätten, könne er nicht sagen. „Wir bedauern außerordentlich, mit welcher kriminellen Energie hier eine Person gegen Stefan Gelbhaar vorgegangen ist”, sagte Brantner.
Die Vorwürfe richten sich gegen die Berliner Grünen-Bezirkspolitikerin Shirin Kreße, die Gelbhaar mutmaßlich unter falschem Namen und mit einer gefälschten eidesstattlichen Erklärung belastet hatte. Sie hat die Grünen inzwischen verlassen. Das angekündigte Parteiausschlussverfahren habe sich daher erledigt, sagte Banaszak. Der Parteivorstand habe sich aber zusätzlich zu der Strafanzeige entschieden. Diese richte sich sowohl gegen die Beschuldigte als auch gegen Unbekannt.
„Stefan Gelbhaar ist durch die Falschaussagen zu seinen Lasten und die Berichterstattung darüber beim RBB Schaden zugefügt worden”, sagte Banaszak. „Das bedauern wir ausdrücklich.” Er sagte aber auch, dass sieben Frauen, die ebenfalls bei der Ombudsstelle der Grünen Meldungen gegen Gelbhaar eingereicht hatten, auf Nachfrage hin mitgeteilt hätten, sie würden an ihren Vorwürfen festhalten.
Die mutmaßlich falschen Beschuldigungen gegen Gelbhaar sind deswegen besonders brisant, weil er dem Realo-Flügel der Grünen angehört. Der Berliner Landesverband ist aber vorwiegend links geprägt, heißt es beim „Spiegel”. Auch Kreße gehörte dem linken Flügel der Partei an, ebenso wie der Wahlkampfmanager der Grünen, Andreas Audretsch. Er ist nicht nur Bundestagsfraktionsvize, sondern auch enger Vertrauter von Kanzlerkandidat Robert Habeck.
Fünf Tage vor der Wahlversammlung im Dezember wurden die Vorwürfe an die Ombudsstelle der Grünen übergeben. Einen Tag vor der Versammlung erfuhr Gelbhaar von den Vorwürfen und zog daraufhin seine Kandidatur für den Listenplatz zwei zurück. Audretsch hatte daraufhin – ohne Konkurrenz – leichtes Spiel und gewann die Wahl mit großer Mehrheit.
Umgestaltung der Ombudsstelle und Aufarbeitung des Vorfalls
Da aber das bisherige Ombudsverfahren durch die erfolgten Indiskretionen beschädigt worden sei, habe die Parteispitze entschieden, ein neues Verfahren aufzusetzen, sagte Ko-Parteichefin Brantner. Die frühere schleswig-holsteinische Justizministerin Annemarie Lütkes und der frühere Bundestagsabgeordnete und nichtberufliche Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof, Jerzy Montag, seien gebeten worden und hätten sich auch dazu bereit erklärt, eine neue Kommission zu bilden. Diese solle den gesamten Vorgang und die weiter bestehenden Vorwürfe gegen Gelbhaar nun untersuchen.
Auch Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck drängte laut einem Bericht der „Welt” auf „schnelle und rücksichtslose Aufklärung”. Demnach nannte auch er am Rande eines Wahlkampftermins in Berlin den Vorgang „gravierend und auch schockierend”.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Gelbhaar hatte nach den Vorwürfen gegen ihn auf eine Kandidatur auf der Berliner Landesliste der Partei verzichtet. Als Direktkandidatin für den Wahlkreis Berlin-Pankow wurde er danach abgewählt und durch die Grünen-Politikerin Julia Schneider ersetzt. Hierzu äußerten sich Banaszak und Brantner unter Hinweis auf die Zuständigkeit auf Landes- beziehungsweise Wahlkreisebene nicht.
Zur Art der weiterhin gegen Gelbhaar vorliegenden Vorwürfe äußerten sich die Grünen-Vorsitzenden nicht. Sie verwiesen auf das Gebot der Vertraulichkeit hinsichtlich der bei der Ombudsstelle eingegangenen Meldungen. Banaszak sagte lediglich, es handele sich um Meldungen, die von den betreffenden Frauen selbst vorgetragen worden seien, also nicht um anonyme Vorwürfe. Sie selbst als Parteivorsitzende hätten dazu aber keine Gespräche geführt.
Grünen-Politikerinnen unterstützen Gelbhaar
Die frühere Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang äußerte sich ebenfalls „schockiert” über den Fall Gelbhaar. „Er muss natürlich aufgearbeitet und die Strukturen, die das zugelassen haben, evaluiert werden”, sagte sie dem Berliner „Tagesspiegel”. Wer solche falschen Beschuldigungen aufstelle, füge der beschuldigten Person großen Schaden zu, und gleichzeitig auch Frauen, die wirklich von sexuellen Übergriffen betroffen seien.
Gelbhaar sprang auch die Vorsitzende der Landesgruppe Ost der Grünen-Bundestagsfraktion, Paula Piechotta, zur Seite. Sie forderte eine Rehabilitierung ihres Kollegen. „Die jetzt bekannt gewordenen falschen Anschuldigungen gegen Stefan Gelbhaar sind ein Beispiel dafür, wie hart und ungerecht Politik sein kann”, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Mir persönlich wäre es ein Anliegen, dass er nach Klärung aller Vorwürfe rehabilitiert wird.” Piechotta stellte sich schon früh hinter ihren Parteikollegen und äußerte Zweifel an den Beschuldigungen.
Eine umfassende Aufklärung forderte CSU-Generalsekretär Martin Huber. Auch Habeck müsse sich dazu „persönlich erklären”, verlangte er in München. Banaszak machte aber deutlich, Habeck sei „zu keinem Zeitpunkt in das Verfahren eingebunden” gewesen. (the)
Verwendete Quellen
- Material von AFP
- Spiegel (hinter einer Bezahlschranke): Wie die Grünen den Fall Gelbhaar in den Griff kriegen wollen
- Tagesspiegel: Falsche Belästigungsvorwürfe: Habeck nennt Vorgänge im Fall Gelbhaar „schockierend” – Grüne stellen Strafanzeige
- RND: Fall Gelbhaar: Grüne Abgeordnete fordert Rehabilitierung nach Klärung der Vorwürfe
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