Der Deutschen Bahn helfen weder mehr Geld, noch mehr Wettbewerb

Startseite Meinung Der Deutschen Bahn helfen weder mehr Geld, noch mehr Wettbewerb Stand: 03.08.2024, 11:25 Uhr Kommentare Drucken Teilen Eine Zerschlagung des Bahn-Konzerns wäre falsch. Es braucht sogar mehr interne Abstimmung. Ein Gastbeitrag von Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität in Berlin. Die Nachrichten über die Probleme der Bahn reißen nicht ab und die
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Der Deutschen Bahn helfen weder mehr Geld, noch mehr Wettbewerb

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Eine Zerschlagung des Bahn-Konzerns wäre falsch. Es braucht sogar mehr interne Abstimmung. Ein Gastbeitrag von Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität in Berlin.

Die Nachrichten über die Probleme der Bahn reißen nicht ab und die eigenen Erlebnisse mit den Zügen werden immer abstruser. Dennoch herrscht Freude im Land. Der Vorstand der Deutschen Bahn AG hat anlässlich der katastrophalen Halbzeitbilanz verkündet, dass alles wieder gut wird. Denn der Bund hat versprochen, endlich Milliarden für die Sanierung des Hauptstreckennetzes lockerzumachen.

Also bitte Ruhe bewahren. Doch die Kritiker mehren sich und es wird auch im politischen Umfeld bedrohlicher. Selbst so unterschiedliche Personen wie Friedrich Merz und Bodo Ramelow sind sich in der Analyse einig: Nur eine konsequente Trennung von „Betrieb“ und „Netz“ schafft die Voraussetzungen für den Wettbewerb auf der Schiene, die zentrale Voraussetzung, damit endlich die gewünschte Angebotsqualität erreicht und die Eisenbahn gerettet werden kann. Die Gründe für diese Vorschläge sind nicht durch Sachkenntnis motiviert, sondern durch den Wunsch, die Macht und die Selbstherrlichkeit des DB-Konzerns zu brechen und die Strukturen zerschlagen zu wollen.

Manchmal fährt er pünktlich, oft aber nicht: der ICE der Deutschen Bahn
Manchmal fährt er pünktlich, oft aber nicht: der ICE der Deutschen Bahn © IMAGO/Steinsiek.ch

Das Problem dabei: Die Eisenbahn ist ein System, das nicht mit einer Straße und den darauf fahrenden Autos zu vergleichen ist. Straßenbau und Straßenbetrieb funktionieren völlig unabhängig vom Bau und dem Betrieb von Pkw und Lkw. Die Systeme sind weitgehend entkoppelt und arbeiten mit einer eigenen technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Logik.

Die Eisenbahn ist ein integriertes System

Die Eisenbahn dagegen funktioniert nur als integriertes System unter einer Leitung. Züge und Schienen sind ein geschlossenes, aufeinander abgestimmtes Gebäude: Trasse und Traktion ist eine Produktionseinheit. Was sich international als fataler Irrtum herausgestellt hat, ist die Idee, diese Wertschöpfungskette auseinanderzureißen und alle Elemente einzeln einem Wettbewerbsverfahren zu unterziehen.

Die zwei leitenden Gedanken dabei: Es gibt keine zentrale Macht mehr, der Konzern ist sozusagen filetiert und im Wettbewerbsverfahren wird dann die Produktion von Eisenbahndienstleistungen billiger. Das tatsächliche Resultat ist, dass die Bahn kaputt und als System nicht mehr funktioniert und völlig aus der Kontrolle geraten ist.

Die Länder organisieren den Personennahverkehr (SPNV) nach ihren eigenen Interessen, geben die Hälfte des Geldes für Ausschreibungs- und Überwachungstätigkeit mit dem Ergebnis aus, dass selbst für die, die noch SPNV-Leistungen ergattern, kein auskömmliches Geschäft mehr herauskommt.

Der Autor

Andreas Knie leitet die Forschungsgruppe Digitale Mobilität am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und ist Professor für Soziologie an der Technischen Universität Berlin.

Der Fernverkehr ist hiervon völlig losgelöst und macht alleine sein Ding, bestellt Züge und Fahrten, als ob es kein morgen gäbe, das Schienennetz operiert in eigener Regie und wann und wie gebaut wird, bleibt für alle anderen Beteiligten ein Rätsel. Der Güterverkehr kommt in dieser zerstückelten Bahnlogik gar nicht mehr vor und steht bereits am Abstellgleis.

Die Fahrdienstleitungen wissen morgens überhaupt nicht, wie sie die Züge über die Strecke jonglieren können. In der völlig zerrupften Bahn herrscht das blanke Chaos und man kann froh sein, dass knapp die Hälfte der Züge überhaupt noch so halbwegs nach Plan fahren.

Der Wettbewerb schadet dem Schienenverkehr

Der Wettbewerb hat gigantische Zentrifugalkräfte entstehen lassen, die keiner mehr überblickt, die vermeintlichen Wettbewerbsvorteile sind nur zulasten der unteren Beschäftigtengruppen erreicht worden, während Overhead und beteiligte Anwaltskanzleien gut verdient haben. Es gibt komischerweise auch nur einen Fachkräftemangel bei Busfahrerinnen und Busfahrern, nicht bei Zweckverbänden. Innovationen kommen in diesem Wettbewerbsverfahren auch nicht vor, da nur die Kosten betrachtet werden und die Angebote für Jahrzehnte nicht verändert werden können, sonst drohen Klagen der Unterlegenen.

Mehr Geld hilft hier nicht, mehr Geld macht es nur noch schlimmer. Der jüngste Coup: Die DB Infrago: nutzlos, ohne Durchgriffsmacht, eine reine Frühstücksdirektorenrunde, um eine Einheitlichkeit zu suggerieren, die gar nicht da ist.

Es muss sofort notoperiert werden. Alles, was nicht zum Eisenbahngeschäft gehört, wird verkauft, die Länder geben den SPNV wieder zurück an eine neu gegründete „Deutsche Eisenbahn Gesellschaft“, die vom Eisenbahnbundesamt kontrolliert und überwacht wird. Hier können dann die Länder ihre Interessen einbringen, diese werden aber alleine einer bundesweiten Systemlogik unterstellt.

Nur so kann die Schiene als alternativer Verkehrsträger gehalten, stabilisiert und später auch ausgebaut werden. Das jetzige System ist einfach unsachgemäß zusammengefügt. Das ist nicht mehr zu retten.

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