Bürgergeld-Erhöhung laut Arbeitsmarktforscher „zu hoch“ – weshalb eine Reform her muss
FDP-Politiker Christian Dürr fordert die Kürzung des Bürgergeldes – dieses sei aktuell nämlich zu hoch. Doch das Problem liegt wohl ganz woanders.
Frankfurt – Die Diskussion um die Anpassung des Bürgergeldes sorgt für Kontroversen: Ist die jüngste Erhöhung gerechtfertigt oder übertrieben? Während der FDP-Politiker Christian Dürr eine Senkung fordert, sehen Experten die Notwendigkeit, den Anpassungsmechanismus grundlegend zu überarbeiten. Wie können die Regelsätze fair und zeitnah an wirtschaftliche Veränderungen angepasst werden, ohne dabei Irritationen zu verursachen? Ein Blick auf die Debatte um die Zukunft des Bürgergeldes.
FDP: Bürgergeld sei derzeit „14-20 Euro zu hoch“ – Kürzung gefordert
Zum 1. Januar 2024 wurde das Bürgergeld basierend auf hohen Preisen im zweiten Quartal 2023 erhöht. Danach sind die Preise aber nicht weiter so stark gestiegen. „Aktuell ist das Bürgergeld 14-20 Euro zu hoch“, sagt FDP-Fraktionschef Christian Dürr der Bild-Zeitung. „Mein Vorschlag wäre eine Anpassung nach unten, weil bei der letzten Berechnung die Inflation höher eingeschätzt wurde, als sie sich tatsächlich entwickelt hat. Das würde sowohl die Steuerzahler um bis zu 850 Millionen Euro entlasten als auch die Arbeitsanreize erhöhen“, führt er weiter aus.
Der Vorschlag von Dürr hat eine große Diskussion entfacht, in die sich nun auch der Forscher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Enzo Weber, auf LinkedIn einmischt. Der Arbeitsmarktforscher stimmt in seinem Post Dürr zunächst zu, betont jedoch, dass eine Senkung des Bürgergeldes nicht die richtige Lösung sei, obwohl die jüngste Anpassung „zu hoch“ ausgefallen ist. Stattdessen plädiert er für eine Reform des Anpassungsmechanismus.
Arbeitsforscher Enzo Weber: Jüngste Anpassung war „zu hoch“ – so wird die Bürgergeld-Erhöhung bestimmt
Das Bürgergeld soll sicherstellen, dass Menschen das Nötigste zum Leben haben. Um zu bestimmen, wie viel Geld dafür benötigt wird, analysieren Fachleute, wie viel Menschen mit geringem Einkommen ausgeben.
Diese Daten werden normalerweise alle fünf Jahre aktualisiert. Da sich Preise und Löhne jedoch ständig ändern, wird das Bürgergeld jedes Jahr nach einem festgelegten Verfahren angepasst, das zu 70 Prozent die Preissteigerungen und zu 30 Prozent die Lohnsteigerungen berücksichtigt.
Zusätzlich gibt es eine „ergänzende Fortschreibung“, die sich auf die Preissteigerungen im zweiten Quartal des Jahres konzentriert, aber nur für ein Jahr gilt und nicht ins nächste Jahr übernommen wird.
Meine news
Reform der Bürgergeld-Anpassung: Weber fordert eine proportionale Inflationsanpassung
Weber äußert sich kritisch zu diesem Anpassungsmechanismus des Bürgergeldes. „Mittelfristig gleicht sich das aus, aber das Hin und Her führt zu Irritationen“, so Weber. Mal ist das Bürgergeld also etwas zu niedrig, mal etwas zu hoch. Durchschnittlich sollte die Summe aber stimmen.
Er schlägt eine proportionale Inflationsanpassung vor, die aber einen zeitnahen Ausgleich ermöglicht. Diese würde den aktuellen Mechanismus verbessern, indem auf die ergänzende Fortschreibung verzichtet und stattdessen der aktuellste Inflationswert für die Basisfortschreibung genutzt wird.
„Der Anpassungsmechanismus führte dieses Jahr zu einer überhöhten Bürgergeld-Anpassung. Das wird sich wieder ausgleichen, aber für die Zukunft können wir den Mechanismus anders ausgestalten: proportional & zeitnah“, führt er weiter aus.
Kann das Bürgergeld-Gesetz kurzfristig geändert werden?
Die Forderung von Christian Dürr, das Bürgergeld noch vor der Bundestagswahl 2025 zu kürzen, ist unrealistisch, heißt es auf Zeit Online. Um das durchzusetzen, müsste das Bürgergeld-Gesetz geändert werden, was jedoch auf wenig Unterstützung von SPD und Grünen stoßen dürfte.
Martin Rosemann, der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, kritisiert die Forderung von seinem Regierungspartner Dürr harsch. „Völlig unausgegorene Ideen, die fernab der Realität sind, nur Verunsicherung stiften“. Er fordert die Liberalen auf, „nach fast drei Jahren“ endlich ihre Verantwortung als Teil der Regierungskoalition ernst zu nehmen, berichtet die Tagesschau.
Auch interessant
Kommentare
Teilen