Tiflis (Georgien) – „Meine Vorfahren haben so viel für Unabhängigkeit und Freiheit gekämpft, das muss verteidigt werden. Meine Präsidentin ist Salome Surabischwili“, sagt Valerio.
Wie viele andere Demonstranten steht der 16-jährige Teenager vor dem Präsidentenpalast in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens – um die Freiheit zu verteidigen.
Auch Otar Surabischwili (74), der Bruder der bisherigen Präsidentin Salome Surabischwili ist vor Ort und sagt den BILD-Reportern: „Es gibt hier zwei Realitäten: einen freien Raum mit freien Menschen und einer legitimen Präsidentin und einen hinter verschlossenen Türen, der das Land Richtung Russland führt und keine Zukunft hat. Wir werden siegen.“
Am Sonntag um 10 Uhr kündigte die ehemalige georgische Präsidentin Salome Surabischwili an, vor ihrem Volk zu sprechen. Mehr als tausend Anhänger skandierten vor dem Präsidentenpalast: „Sieg für Georgien!“, „Ruhm unserer Präsidentin!“, „Salome! Salome!“
Ihr von Russland unterstützter Nachfolger Micheil Kawelaschwili sollte nur wenige Minuten später das Amt übernehmen. Da die Wahlen im Oktober jedoch laut internationalen Beobachtern für die pro-russische Partei „Georgischer Traum“ gefälscht wurden, fordert die Opposition um Surabischwili Neuwahlen – bis dahin weigert sie sich abzutreten.
„Sie wollen das Land in eine russische Diktatur überführen“
Um 11.04 Uhr trat die Präsidentin vor die Kameras. Ihre Worte – eine Kampfansage Richtung Moskau: „Der ,Georgische Traum‘ ist ein russischer Alptraum. Sie wollen das Land in eine russische Diktatur überführen, aber das wird nicht passieren. Wir stehen hier in Freiheit und haben keine Angst, sie verstecken sich drinnen.“
„Es gibt für uns kein Neujahr, wir haben nichts zu feiern“
Die Politikerin weiter: „Die neuen Wahlen sollen frei sein und nicht manipuliert. Das muss geschehen, damit das georgische Volk nicht erneut betrogen wird. Wir sind die Mehrheit. Europa ist unsere Zukunft. Wir müssen freie Medien verteidigen, ohne freie Medien wird es keine freien Wahlen geben.“
Sie schloss: „Wir müssen die nächsten Tage überstehen, damit wir weiterhin in einem freien und unabhängigen Georgien leben können. Es gibt für uns kein Neujahr, kein Silvester, wir haben nichts zu feiern. Wir müssen durchhalten – friedlich und voller Liebe.“
Die Reaktion der Zuhörer waren Sprechchöre: „Wir kämpfen bis zum Schluss!“
„Ihr seid Russen!“
Hintergrund: Surabischwili fordert, wie laut Umfragen 77 Prozent der Bevölkerung, einen EU-Beitritt des 3,7-Millionen-Einwohner-Landes am Schwarzen Meer, der Russland-hörige Micheil Kawelaschwili ist dagegen.
Er wurde um 11 Uhr im georgischen Parlament unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Anwesenheit von Botschaftern ins Amt eingeführt. Georgien hat jetzt quasi zwei Präsidenten. In den kommenden Tagen werden wieder gewaltsame Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei erwartet.
Nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten skandierte die Menge mit roten Karten gegen den Ex-Fußballer Kawelaschwili und Europa- und Nato-Flaggen vor dem Parlament: „Ihr seid Russen!“
Die Reaktionen der Demonstranten in Tiflis