Baumaschinen im Biotop: Naturidyll gleicht Großbaustelle – Anwohner entsetzt über Baumfällungen
Der Klammerweiher in Bad Tölz, eigentlich ein als Biotop kartiertes Naturidyll, gleicht seit über zwei Monaten einer Großbaustelle. Anwohner staunen über das Ausmaß der Fällungen. 82 Bäume mussten weichen.
Bad Tölz – „Seht, und da ist unser Sommer-Weiher, ein kleiner, runder Teich mit hohem Schilf am Ufer. Weiße Wasserrosen, beinah tellergroß, schwimmen auf seiner regungslosen, dunklen Fläche.“ Mit diesen Worten beschrieb der 1906 geborene Autor Klaus Mann den Tölzer Klammerweiher, in dem er als Kind schwimmen lernte. Bekanntlich hatte die Familie des Literaten Thomas Mann – Klaus‘ Vater – damals ein Sommerhaus in unmittelbarer Nähe. Heute schätzen viele Tölzer den kleinen künstlichen See am nordwestlichen Stadtrand als schöne Kulisse für Spaziergänge. Er hat offiziell Biotop-Status.
Klammerweiher in Bad Tölz wird zur Großbaustelle: Anwohner verwundert über Ausholzungen
Aktuell geht es dort alles andere als idyllisch zu. Baufahrzeuge prägen das Bild, der Spazierweg ist seit Anfang Oktober gesperrt – und Anwohner blicken mit einigem Entsetzen auf die umfangreichen Ausholzungen, die dort vonstattengegangen sind. Auf Anfrage des Tölzer Kurier erklärt dazu Rathaus-Sprecherin Birte Stahl, dass es 82 Bäume waren, die dort weichen mussten, und zusätzlich „einiges an Strauchwerk“. Sie versichert, dass die Baumfällungen das geplante Ausmaß nicht überschritten hätten und mit der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt seien.
Die laufende Baumaßnahme am Klammerweiher dient wie berichtet dem Hochwasserschutz. „Um bei künftigen Starkregenereignissen die Grundstücke südwestlich des Klammerweihers vor Überschwemmungen zu schützen, muss die Stadt den vorhandenen Damm ertüchtigen und ein neues Ablaufbauwerk errichten“, erklärt Stahl.
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Der Klammerweiher wurde vor rund 120 Jahren angelegt und diente den damals noch zahlreichen Tölzer Brauereien im Winter zur Eisgewinnung. Nach Aktenlage sei aber wohl niemals eine wasserrechtliche Genehmigung dafür beantragt worden.
Rückhaltvolumen reicht bei Hochwasser nicht mehr aus
Im Herbst 2018 habe das Landratsamt schließlich die Stadt aufgefordert, dies nachzuholen – verbunden mit der Auflage, den Hochwasserschutz in dem Bereich sicherzustellen. „Voruntersuchungen haben ergeben, dass bei einem 100-jährlichen Hochwasser das Rückhaltvolumen nicht ausreicht und der Weiher überläuft“, so Stahl. Damit der Staat den nötigen Umbau fördert, habe man allerdings die Werte eines 1000-jährlichen Hochwassers zu Grunde legen müssen.
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Was nun passiert: „Zur Ertüchtigung wird der Damm auf der wasserabgewandten Seite um 60 Zentimeter aufgeschüttet“, erklärt Stahl. „Außerdem ist südlich der Leseoase, im südwestlichen Bereich des Klammerweihers, eine Überlaufschwelle mit befestigtem Ablaufgerinne erforderlich sowie die Neuanlage eines Ablaufwerkes. Hier erfolgt bei Hochwasser die Ableitung über ein neues Tosbecken, das dem ablaufenden Wasser die Energie nimmt, bevor es in die Verrohrung und schlussendlich in den Ellbach fließt.“
Beliebter Spazierweg wird wiederhergestellt
Im Vorfeld sei es notwendig gewesen, im Bereich des Damms und des künftigen „Tosbeckens“ Bäume und Büsche zu entfernen. Das Ausmaß entspreche ganz den Planungen. „In Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts werden die Stämme auf zwei Flächen in der Nähe als Totholz gelagert, um so Insekten und Tieren einen neuen Lebensraum zu bieten“, erklärt Stahl. Die Arbeiten werden ihr zufolge voraussichtlich bis März 2025 dauern. Danach werde die Stadt in Richtung Wohnbebauung neue Bäume nachpflanzen.
Danach soll auch der aktuell zwischen Alleestraße und Leseoase gesperrte Thomas-Mann-Weg wieder begehbar werden. „Wenn im April die Asphaltwerke wieder öffnen“, sagt die Rathaus-Sprecherin, „wird die Wiederherstellung des beliebten Spazierwegs den Abschluss der Baumaßnahme bilden.“
Die Kosten der Hochwasser-Ertüchtigung liegen laut Stahl bei rund 450 000 Euro. Eine Förderung in Höhe von 50 Prozent sei bereits bewilligt. (ast)
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